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Virenzählen für Fortgeschrittene

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Virenzählen für Fortgeschrittene
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Fledermäuse und Flughunde gelten als wichtige Reservoire für potenziell gefährliche Viren (Columbia University)
Ob HIV, Influenza oder SARS – viele der heute grassierenden Infektionskrankheiten stammen ursprünglich aus der Tierwelt. Immer wieder schaffen Viren den Sprung über die Artbarriere vom Tier auf den Menschen und lösen dann bei uns Epidemien aus. Das Problem dabei: Bisher lässt sich die Gefahr durch solche neu auftretenden Krankheiten schwer abschätzen, denn wie viele Viren im Tierreich kursieren, ist unbekannt. Den Versuch einer ersten Einschätzung hat nun ein internationales Forscherteam gemacht – und kommt dabei auf eher unerwartete Werte.

Rund 70 Prozent aller Viren-Krankheiten, die im Laufe der Geschichte den Menschen befallen haben, sind sogenannte Zoonosen – Krankheiten, deren virale Erreger ursprünglich nur in Tieren vorkamen, dann aber den Übergang zum Menschen schafften. Beispiele für solche „Emerging Diseases“ sind HIV, Ebola, SARS, die West Nil Krankheit und auch fast alle Influenza-Epidemien. Jüngstes Beispiel ist die sogenannte „Schweinegrippe“ des Jahres 2009, die eine Pandemie auslöste, nachdem ein in Hauschweinen verbreitetes Influenza-Virus mutierte und so die Fähigkeit erlangte, auch Menschen zu befallen und von Mensch zu Mensch übertragen zu werden. Andere Grippestämme, darunter auch derjenige, der die Pandemie von 1918 auslöste, gingen aus Vogelgrippe-Viren hervor. Das sich zurzeit in China ausbreitende H7N9-Virus befindet sich noch in einem Übergangsstadium: Menschen sind zwar schon an dieser Vogelgrippe erkrankt, noch aber scheint das Virus nicht von Mensch zu Mensch übertragbar zu sein – eine wichtige Voraussetzung um Epidemien auszulösen. Doch wenige Mutationen könnten ausreichen, damit dies geschieht.

Flughunde als erstes Modell

„Was wir bisher über Viren wissen, beruht vor allem auf denjenigen, die Krankheiten beim Menschen oder Haustieren auslösen“, erklärt Erstautor Simon Anthony von der Columbia University in New York. Aber der Pool aller in Wildtieren existierenden Viren sei weitaus größer. Neben Haustieren und Vögeln gelten vor allem Fledermäuse und andere tropische Säugetiere als Reservoire für potenziell krankmachende Viren. Diese Reservoirwirte erkranken dabei selbst meist nicht, daher ist ihnen äußerlich meist nicht anzusehen, ob sie Erreger in sich tragen. Um zu ermitteln, wie viele Viren solche Tiere in sich tragen, bleibt Forschern daher nur der komplizierte Weg: Proben von Blut und Geweben einzusammeln und darin anhand von genetischen Analysen nach Virengenen zu suchen.

Genau diese Analysen führten Anthony und seine Kollegen nun bei dem größten Vertreter der Fledertiere, dem Kalong-Flughund (Pteropus vampyrus) durch. Sie sammelten dazu fast 1.900 Proben dieser Tiere im Dschungel von Bangladesch und bestimmten die Virenlast. Ausgehend von diesem Modelltier wollten sie dann auf die Gesamtzahl der in Säugetieren vorkommenden Viren schließen. Anhand von nur einer Art ist eine solche Hochrechnung ein eher gewagtes Unterfangen – aber die Forscher sehen darin nur einen ersten Schritt hin zu einer systematischen Bestandsaufnahme aller in Tieren vorkommenden Viren.

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Nur rund 320.000 statt viele Millionen?

Wie die Forscher berichten, fanden sich allein in dieser einen Säugetier-Art 58 Viren, darunter 50, die bis dahin völlig unbekannt waren. Extrapoliere man dies auf alle 5.486 bisher bekannten Säugetierarten, dann ergebe dies eine Gesamtzahl von 320.000 Viren. „Das ist ein echter Durchbruch – statt Millionen von unbekannten Viren scheint es nur ein paar Hunderttausend zu geben“, sagt Koautor Peter Daszak, Präsident der EcoHealth Alliance, einer Nonprofit-Organisation, die gemeinsam mit der University of Columbia dieses Projekt durchführte. Möglicherweise sei demnach die Zahl der potenziell für den Menschen gefährlichen Viren im Tierreich sehr viel geringer als gedacht. Das müsse man aber nun überprüfen, indem man weitere Tierarten auf ähnliche Weise auf Viren untersuche.

„Bestätigt sich dies, könnten wir mit den heutigen Technologien noch zu meinen Lebzeiten die Identität jedes bisher unbekannten Virus auf diesem Planeten ermitteln“, so Daszak. „Dann wären wir sehr besser vorbereitet, wenn ein Virus die Artbarriere überwindet und den Sprung zum Menschen schafft.“ Zurzeit sind zwei Forscherteams unterwegs, um in Bangladesch einen Primaten auf Viren zu analysieren und in Mexiko sechs Fledermausarten. Im Laufe der Zeit sollen so mehr Daten dabei helfen, die Gesamtzahl immer genauer zu umreißen.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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