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Vögel zwitschern grammatikalisch

Erde|Umwelt

Vögel zwitschern grammatikalisch
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Eine Japanische Kohlmeise (Foto: Toshitaka Suzuki)
Tiere kommunizieren teilweise über komplexe Lautfolgen, eine echte Grammatik besitzen sie dabei aber nicht – so dachte man zumindest bisher. Doch jetzt belegen Experimente mit japanischen Kohlmeisen, dass auch diese Vögel eine zusammengesetzte Syntax in ihren Rufen nutzen: Sie kombinieren in bestimmten Situationen zwei verschiedene „Wörter“ zu einem „Satz“ mit neuer Bedeutung. Nach Angaben der Forscher ist dies der erste eindeutige Nachweis einer solchen Grammatik bei einem Tier.

Die menschliche Sprache ist eine unserer größten Errungenschaften – und das, was uns vom Rest der Tierwelt unterscheidet. Unsere verbale Kommunikation hat dabei zwei hierarchische Ebenen: Wir können einerseits Laute ohne eigenständige Bedeutung so kombinieren, dass sie sinnvolle Wörter bilden. Andererseits nutzen wir diese Wörter, um komplexere Ausdrücke und Sätze zu formen. Studien zeigen, dass es einige Tiere gibt, die die erste Stufe dieser Hierarchie beherrschen. So nutzen beispielsweise Gibbons und auch einigen Vogelarten bestimmte Lautfolgen, um ihren Artgenossen mitzuteilen, woher Gefahr droht. Diese Laute haben jedoch einzeln geäußert keine Bedeutung und entsprechen daher eher unseren Silben als echten Wörtern. „Ob Tiere jedoch auch eine zusammengesetzte Syntax entwickelt haben oder ob dies eine rein menschliche Errungenschaft ist, ist bisher unbekannt“, erklären Toshitaka Suzuki von der Rikkyo Universität in Tokio und seine Kollegen. Sie haben diese Frage nun in Experimente mit japanischen Kohlmeisen (Parus minor) untersucht.

Von japanischen Kohlmeisen ist bekannt, dass ihr Repertoire zehn verschiedene Laute umfasst. Einige davon singen sie vor sich hin, andere sind explizit an ihre Artgenossen gerichtet. So erzeugen sie einen aus drei Noten bestehenden Ruf – ABC – wenn sie andere Meisen vor einem Prädator warnen wollen. Ein anderer Ruf, D, besteht dagegen aus einer schnellen Abfolge eines sieben bis zehnmal wiederholten Lauts. Dieser D-Ruf ertönt unter anderem, wenn eine Meise ihren Partner oder andere Artgenossen zu sich ruft, wie die Forscher erklären. Interessanterweise gibt es aber auch Situationen, in denen die Meisen beide Laute kombinieren. Dabei wird die D-Serie immer an eine vorhergehende Tonfolge von ABC, AC oder BC angehängt. „Das spricht dafür, dass die D-Noten die Bedeutung von ABC verändern“, sagen Suzuki und seine Kollegen. „Wir haben daher die Hypothese aufgestellt, dass die Kombination von ABC-D eine semantisch zusammengesetzte Syntax darstellt.“ Um dies zu testen, spielten die Forscher Kohlmeisen sowohl ABC-Abfolgen vor, als auch die Kombinationen ABC-D und die umgekehrte, von Meisen in der Natur nicht genutzte Folge D-ABC und beobachteten ihr Verhalten.

Zwei „Wörter“ bilden einen „Satz“

Wie sich zeigte, löste die Tonfolge ABC ein ganz bestimmtes Verhalten aus: Die Kohlmeisen drehten ihre Köpfe nach rechts und links und suchten ihre Umgebung ab. Ertönte dagegen nur Tonfolge D, näherten sich die Meisen dem Lautsprecher. „In Reaktion auf den kombinierten ABC-D-Ruf jedoch suchen die Meisen ihre Umgebung ab und nähern sich gleichzeitig dem Lautsprecher“, berichten die Forscher. „Das deutet darauf hin, dass sie die Bedeutung beider Rufe kombiniert haben.“ Spielten die Wissenschaftler den Vögeln jedoch die falsche Reihenfolge vor, D-ABC, dann blieb diese Reaktion aus. Die Meisen schauten sich weder besonders intensiv um noch näherten sie sich dem Lautsprecher. Nach Ansicht der Forscher spricht dies dafür, dass diese Lautfolge einem Satz entspricht: Jedes einzelne der beiden „Wörter“ hat eine eigene Bedeutung, die – korrekt zusammengefügt – eine veränderte, kombinierte Bedeutung erhält – ähnlich wie in unserer menschlichen Sprache auch.

„Damit liefert dies den ersten experimentellen Beweis für eine zusammengesetzte Syntax bei einem nichtmenschlichen Tier“, konstatieren Suzuki und seine Kollegen. Die echte Grammatik sei damit kein Alleinstellungsmerkmal des Menschen, sondern habe sich unabhängig von uns auch bei Vögeln entwickelt – wenn auch vielleicht in weniger elaborierter Weise. Der Vorteil der zusammengesetzten Syntax liegt dabei auf der Hand:  Die Meisen können damit zum Beispiel ihre Artgenossen auffordern, herzukommen, um einen Prädator gemeinsam zu verjagen. Oder aber ihnen nach einer potenziellen Gefahr suchen zu helfen. „Die Kombination von Signalen erhöht die Menge der verschiedenen Bedeutungen, die ein Individuum mit einem begrenzten Vokabular vermitteln kann“, erklären die Forscher. In jedem Fall liefert diese Studie erneut Indizien dafür, dass der Mensch die kommunikativen Fähigkeiten von Tieren bisher häufig unterschätzt hat.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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