Sexuelle Selektion ist eine der wichtigen Triebkräfte der Evolution: Da Weibchen viel Kraft und Energie in den Nachwuchs investieren, sind sie bei der Partnerwahl oft wählerisch: Sie versuchen, für ihre Nachkommen den optimalen, sprich biologisch fittesten Erzeuger zu gewinnen. Zum Zuge kommt nur derjenige, der sich beispielsweise im Kampf gegen Rivalen durchsetzt oder es geschafft hat, trotz eines besonders auffallenden Federkleids zu überleben. Als Folge förderte die sexuelle Selektion im Laufe der Zeit die Evolution immer stärkerer oder immer bunterer Männchen. “Die Rolle der sexuellen Selektion für die Evolution der Intelligenz ist aber bisher weitgehend unerforscht”, erklären Brian Hollis und Tadeusz Kawecki von der Universität von Lausanne.
Der Pfiffigere setzt sich durch
Die Hypothese der Forscher: Ein erfolgreiches Werben um Weibchen erfordert auch Köpfchen. Die Männchen müssen komplexe Situationen einschätzen und auch lernen, bestimmte Reaktionen der Auserwählten zu erkennen. Nach Ansicht von Hollis und Kawecki könnte sich dies im Laufe der Zeit sehr wohl positiv auf die Evolution geistiger Leistungen bei den Männchen auswirken. Weil der Pfiffigere gewinnt, zeugt er mehr Nachkommen und gibt damit seine Intelligenz an die nächsten Generationen weiter. Ob dies stimmt, testeten die Forscher mit Fruchtfliegen. Bei diesen setzen sich typischerweise diejenigen Männchen durch, die am schnellsten die paarungsbereiten Weibchen in der wimmelnden Masse der anderen erkennen. Sie müssen dafür lernen, deren Verhalten und Duftsignale richtig zu interpretieren. Theoretisch sollten daher die Männchen mehr Erfolg haben, die eine bessere Lernfähigkeit besitzen und dies an ihre Nachkommen weitergeben.
Im Versuch züchteten die Forscher drei Gruppen von Fruchtfliegen 100 Generationen lang in strenger Monogamie: Statt sich in der sexuellen Selektion bewähren zu müssen, bekam jedes Männchen jeweils ein Weibchen vorgesetzt. Anschließend testeten die Forscher, wie gut die Nachkommen dieser Zucht sich im normalen Wettbewerb um die Weibchen schlugen. In einem weiteren Test trainierten sie die Fliegen darauf, einen Geruch mit einer abschreckenden Erfahrung zu verbinden. Eine Stunde später überprüften sie in einem Labyrinthtest, ob die Fliegen sich diese Erfahrung gemerkt hatten und einen Gang mit diesem Geruch mieden.
Damenwahl macht schlauer
Das Ergebnis war überraschend eindeutig: Die Männchen aus den zwangs-monogamen Stämmen stellten sich deutlich dümmer an, wie die Forscher berichten. In einer typischen Paarungssituation mit vielen Weibchen erkannten sie die paarungswilligen Partnerinnen oft nicht rechtzeitig. Sie balzten wahllos junge, noch nicht paarungsreife Fliegen an. Dass dies tatsächlich mit der Lernfähigkeit zusammenhängt, belegte der zweite Test: Bei den Kontrollmännchen mieden die meisten auch eine Stunde später noch den mit der unangenehmen Erfahrung assoziierten Geruch. Die Männchen des monogamen Stammes erwiesen sich dagegen als deutlich weniger lernfähig, wie die Forscher berichten.
“Unsere Ergebnisse belegen, dass die sexuelle Selektion eine entscheidende Triebkraft für die geistigen Leistungen der männlichen Fruchtfliegen ist”, konstatieren Hollis und Kawecki. Fehlen Konkurrenz und wählerische Weibchen, dann verliert die Lernfähigkeit zumindest in den für die Partnerwahl wichtigen Bereichen an Bedeutung. Dadurch aber geht sie auch schnell verloren, wenn sie nicht gebraucht wird: “Denn die Fähigkeit zu lernen ist eine kostspielige Anpassung, die nur erhalten wird, wenn dies die Fitness erhöht”, so die Forscher. Natürlich ist nicht jede geistige Fähigkeit mit der Partnerwahl verknüpft, auch die Umwelt und der Nahrungserwerb erfordern je nach Tierart mehr oder weniger Intelligenz. Dennoch spricht nach Ansicht der Forscher ihr Ergebnis dafür, dass wählerische Weibchen zumindest bei einigen Tierarten die Männchen schlauer machen.