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Wald

Erde|Umwelt

Wald
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Mischwald und Artenvielfalt – damit Ökologie und Kasse stimmen. Weg von der Monokultur, ist des Försters neue Devise: Die einzige Chance, das Ökosystem Wald gegen die globale Erwärmung zu wappnen und gleichzeitig nicht am Holzmarkt vorbeizuproduzieren.

Hier, das ist so eine traurige Geschichte, sagt Gerhard Schnitzler. Der Forstwirt in der baden-württembergischen Forstdirektion Tübingen tippt auf eine große Landkarte mit der Überschrift „Zielbestockungen“. „Überall Fichte, aber die taugt auf dem Standort gar nichts – sie wächst schlecht, und dann müssen wir sie vorzeitig ernten.“

Das getadelte Waldstück liegt in Bad Schussenried, einem von 32 Forstämtern, die der Tübinger Direktion unterstehen. Dort haben es Mönche auf wechselfeuchtem Boden aufgeforstet, wahrscheinlich schon im 17. Jahrhundert. Als der Wald Anfang des 19. Jahrhunderts in Staatsbesitz wechselte, taten die Förster es den Mönchen gleich. Nach wie vor stehen dort Fichten, in Reih und Glied, in rechteckigen Arealen, alle gleich hoch. Doch ihre Stunde hat geschlagen. „Da kommen jetzt nach und nach überall Eichen hin, gemischt mit Eschen und Ahornbäumen. Diese Arten gehören dort von Natur aus hin“, erläutert Schnitzler. In 30 bis 40 Jahren soll der Waldumbau abgeschlossen sein. „Auch die Eiche wird auf dem Standort zwar keine übermäßig tolle Holzqualität liefern“, räumt der Forstwirt ein. „Aber um das Jahr 2200 müßte es für einen Parkettboden reichen.“

Folgt man den Zahlen der letzten bundesweiten Waldinventur, dann standen noch 1990 Fichten, Kiefern, Lärchen und anderes Nadelholz auf 66 Prozent der Waldfläche – Buchen, Eichen und anderes Laubholz brachten es gerade mal auf 34 Prozent. Das ist vorbei. Der deutsche Forst erhält heute ein anderes Gesicht: „Erhöhung des Laubbaumanteils“ tönt es unisono aus den Waldbauprogrammen der 16 Bundesländer, denen der Löwenanteil des „Staatswaldes“ in Deutschland gehört.

Baden-Württemberg will langfristig von heute 38 auf 50 Prozent kommen. Bayern – mit vielen Lagen im Mittel- und Hochgebirge, die von Natur aus Nadelwald begünstigen – möchte seinen Laubbaumanteil von heute 26 auf 38 Prozent hochschrauben, das Saarland gar von 61 auf 90 Prozent. Dieser Trend gilt ebenso für den „Körperschaftswald“, der vor allem den Kommunen gehört. Auch die Bewirtschaftung der Wälder ändert sich grundlegend: Kahlschläge sind nun verpönt.

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Die Dominanz der Nadelholzschonungen ist zum Teil ein Erbe aus dem 18. Jahrhundert. „Damals herrschte Holznot, viele Wälder waren vernichtet“, erklärt Dr. Heiner Grub von der Forstdirektion Tübingen. Beim Versuch der Wiederaufforstung kamen vorrangig die schnell wachsende Fichte und die Pionierbaumart Kiefer zum Zuge.

Verführerisch waren auch die wirtschaftlichen Aspekte. Die Fichte liefert spätestens nach 100 Jahren gutes Holz. Die Buche braucht etwa 140 bis 160 Jahre. Einer Eiche jedoch muß der Waldbauer mindestens 200 Jahre Zeit geben, um das begehrte Starkholz zu liefern. Soll dieser Baum, gemessen allein an kurzfristigen Gewinnerwartungen, eine Chance haben, muß der Preis für Eichenholz das Vielfache von Fichtenholz ausmachen – was zumindest heutzutage nicht der Fall ist.

Doch auch für den, der heute ausschließlich Fichten pflanzt, ist das ökonomische Risiko gewachsen. Die Marktpreise schwanken immer stärker. So erlösten Waldbesitzer 1990 für Stammholz mit Rinde, Güteklasse B, 180 Mark pro Festmeter – 1993 nur 95 Mark. Keiner weiß, welche Holzart in 100 Jahren, wenn heute gepflanzte Fichten erntereif sind, besonders gefragt sein wird. Gerhard Schnitzler: „Mit einem reichhaltigen Sortiment im Wald können wir flexibel reagieren. Ist der Preis für Eichen hoch, schlagen wir mehr Eichen, sind Fichten gefragt, hauen wir auf die Fichte.“

Großen Anteil am frischen Wind in den deutschen Forstämtern haben Vivian und Wiebke. Die beiden Orkane legten 1990 nicht nur binnen Stunden etliche Fichten-Monokulturen flach, sondern pusteten auch altes Gedankengut aus manchen Försters Kopf. Rekordverdächtige 75 Millionen Kubikmeter Holz fielen in jenem Jahr Sturm- und Schneekatastrophen zum Opfer. Das ist eine Holzmenge, die rund zwei Millionen Langholztransporter füllt – das Doppelte eines normalen Jahreseinschlags.

„Bäume in Monokulturen schwingen unter der Wucht von Stürmen alle mit der gleichen Amplitude. Ein Orkan hat daher leichtes Spiel, sie aus dem Boden zu reißen“, erläutert Dieter Jünemann, Dezernatsleiter bei der Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten in Recklinghausen. „In einem Wald mit verschiedenen Baumarten und -generationen kommt es nicht zu diesem Dominoeffekt.“ Auch für Schadinsekten wie etwa Borkenkäfer ist Mischwald weniger anfällig.

Das größte Problem für den naturnahen Waldbau sind die Luftschadstoffe. Ein Viertel der Fichten, ein Achtel der Kiefern, ein Drittel der Buchen und 44 Prozent der Eichen sind in Deutschland schwer geschädigt. Im aktuellen „Bericht über den Zustand des Waldes“ der Bundesregierung vom 6. Dezember 1999 steht unmißverständlich: Die Wälder sind vom Eintrag an Schadstoffen überfordert.

„Zwar hat sich die Situation seit 1991 deutlich verbessert, aber wir können noch keine Entwarnung geben“, sagte Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim vom Bundesernährungsministerium bei der Vorstellung des Waldschadensberichts. „Langfristig können die Wälder auch das derzeitige Maß an Luftverunreinigung nicht verkraften.“

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