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Warum sind Bärenbabys so winzig?

Erde|Umwelt

Warum sind Bärenbabys so winzig?
Großer Panda
Riesenpandas haben die im Verhältnis zu ihrer Körpergröße kleinsten Neugeborenen aller Bären. (Bild: Leungchopan/ iStock)

Große Pandas sind nicht nur Ikonen des Artenschutzes, sie geben auch noch immer einige Rätsel auf. Eines davon ist die ungewöhnlich geringe Größe ihrer Neugeborenen: Mit nur 100 Gramm wiegen Pandababys 900 Mal weniger als ihre schwergewichtigen Mütter. Und auch bei anderen Bären kommt der Nachwuchs ungewöhnlich klein auf die Welt. Was dahinter steckt, haben nun Biologen mithilfe von Skelettanalysen untersucht. Sie enthüllen: Entgegen bisherigen Annahmen werden die meisten Bärenbabys keineswegs unfertig und zu früh geboren – sie sind genauso weit entwickelt wie die Neugeborenen anderer Säugetiere. Nur die Pandas bilden eine Ausnahme.

Fast nackt, blind und winzig: Die Babys eines Großen Panda (Ailuropoda melanoleuca) sind im Verhältnis zur Masse ihrer Eltern die kleinsten und leichtesten Neugeborenen unter allen Plazentatieren. Während die Neugeborenen der meisten Säugetiere einschließlich des Menschen rund 26 Mal weniger wiegen als die Erwachsenen, liegt dieses Verhältnis bei den Pandas bei 1:900. Andere Bären wie die Eisbären haben ebenfalls ungewöhnlich kleine Nachkommen, bei ihnen liegt das Verhältnis bei 1:400. Aber warum? Einer gängigen Hypothese zufolge hängt dies mit dem bei vielen Bärenarten üblichen Winterschlaf zusammen: Weil auch die trächtigen Weibchen während dieser Zeit keine Nahrung zu sich nehmen, sind ihre Energiereserven begrenzt.

Sind Bärenbabys Frühgeburten?

Deshalb gingen Biologen bisher davon aus, dass die Bären ihre Schwangerschaft abkürzen, um ein völliges Auszehren ihrer Muskelmasse zu verhindern. Stattdessen kommen die Bärenjungen quasi als Frühgeborenen auf die Welt und werden dann von der fettreichen Muttermilch des Weibchens weiter aufgepäppelt. Nach dieser Hypothese spielt es auch keine Rolle, dass heute längst nicht alle Bärenarten einen Winterschlaf halten. Die trotzdem verkürzte Schwangerschaft ließe sich bei ihnen damit erklären, dass sie ein ursprüngliches, tief an der Wurzel des Bärenstammbaums entwickeltes Merkmal ist. Sie blieb daher auch bei den Arten erhalten, die ihren Winterschlaf im Laufe der Evolution verloren haben – so die gängige Erklärung. „Dies ist sicher eine durchaus reizvolle Hypothese“, konstatiert Kathleen Smith von der Duke University. Wäre diese Hypothese zutreffend, müssten neugeborene Bärenbabys typische Merkmale eines noch unreifen Frühgeborenen zeigen. Auf den ersten Blick ähneln die fast nackten, blinden Nachkommen tatsächlich fast schon den frisch geborenen Jungen von Beuteltieren.

Aber wie sieht es in ihrem Inneren aus? Das haben Smith und ihr Kollege Peishu Li nun für verschiedenen Bärenarten und auch Pandas mithilfe der Mico-Computertomografie näher untersucht. Für ihre Studie untersuchte das Team die Reife und Kalzifizierung des Skeletts und der Zähne von totgeborenen, aber voll ausgetragenen Jungtieren aus der Sammlung des Smithsonian Museum of Natural History in Washington DC. Die Scans enthüllten: Entgegen bisheriger Annahme sind die Neugeborenen der meisten Bärenarten keineswegs unreif. „Wir haben festgestellt, dass die meisten Bären-Neugeborenen denen anderer Säugetiere in Bezug auf die Verknöcherung ihres Skeletts sehr ähnlich sind“, berichten Smith und Li. Auch innerhalb der Ursinae, der Unterfamilie der Bären, gebe es kaum Unterschiede im Grad der Skelettentwicklung.

Pandabären sind anders

Demnach sind die Babys von Eisbär, Braunbär oder Grizzly trotz ihrer geringen Größe keineswegs Frühgeburten – sie sind fertig entwickelt, aber eben besonders klein, wie die Forscher erklären. Ihrer Ansicht nach spricht dies gegen die Winterschlaf-Hypothese als Erklärung für den enormen Größenunterschied zwischen Adulten und Neugeborenen bei diesen Bärenarten. Stattdessen halten sie eine andere Erklärung für wahrscheinlicher. Demnach hat sich die Körpergröße der Bären erst im Verlauf ihrer jüngsten Evolution immer weiter gesteigert. „Das extreme Massenverhältnis von Neugeborenen zu Müttern könnte mit dieser Entwicklung zusammenhängen““, mutmaßen Smith und Li. Denn während die erwachsenen Bären immer größer und schwerer wurden, blieb die Embryonalentwicklung der Nachkommen auf dem altem Stand – und deshalb sind die Neugeborenen heute unverhältnismäßig klein.

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Anders ist dies jedoch bei den Großen Pandas. Ihre Neugeborenen zeigen tatsächlich Merkmale von Frühgeborenen, wie die CT-Scans enthüllten. „Die Pandas haben bei ihrer Geburt eine Skelettreife, die der eines Hundewelpen am 42. bis 45. Schwangerschaftstag“, berichten Smith und Li. Zu diesem Zeitpunkt wäre der Hundewelpe erst zu 70 Prozent ausgetragen. „Bei Menschen würde diese einem Fötus in der 28. Schwangerschaftswoche entsprechen“, erklärt Smith. Die Pandababys sind bei ihrer Geburt ähnlich unreif. Aber warum? Eine mögliche Erklärung dafür könnte die späte Einnistung der befruchteten Eizelle in die Plazenta der Pandamutter liefern. Sie schwimmt mehrere Monate im Mutterleib herum, ohne sich weiterzuentwickeln. Eine solche verzögerte Implantation kommt zwar bei allen Bären vor, bei den Pandas ist sie jedoch besonders lang, wie die Forscher erklären. Dadurch bleibt dem Fötus nur rund ein Monat lang Zeit, um sich nach der Einnistung zu entwickeln – bei den anderen Bären sind es rund zwei Monate. „Die Pandababys sind sozusagen noch nicht gar“, sagt Li. „Ihre Entwicklung ist verkürzt.“ Warum das jedoch bei den Pandas so ist und welchen biologischen Zweck dies erfüllt, ist bislang noch offen.

Quelle: Peishu Li und Kathleen Smith (Duke University, Durham), Journal of Anatomy, doi: 10.1111/joa.13127

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