Britische und japanische Forscher haben entdeckt, wie Pflanzenwurzeln beim Wachsen durch die Erde Hindernisse vermeiden: Feine Härchen an der Wurzelspitze testen, in welche Richtung ein Wachstum möglich ist und in welche nicht. Dazu benutzen sie einen Rückkopplungsmechanismus, der in dem Moment zum Erliegen kommt, in dem ein Härchen an ein Hindernis wie einen Stein oder einen harten Erdklumpen stößt. Als Reaktion darauf hört das Wachstum der Wurzel an dieser Stelle auf und wird an anderer Stelle fortgesetzt. „Dieses bemerkenswerte System verleiht den Pflanzen die Flexibilität, eine komplexe Umgebung zu erkunden und selbst das ungastlichste Erdreich zu besiedeln“, erklärt Studienleiter Liam Dolan vom John-Innes-Forschungszentrum in Norwich.
Entdeckt haben die Forscher das Kontrollsystem bei der Untersuchung der Ackerschmalwand
Arabidopsis thaliana, dem Lieblingsmodell der Botaniker. Kern des Systems ist ein Enzym mit dem sperrigen Namen RHD2 NADPH-Oxidase, das in den Spitzen der Wurzelhaare residiert. Es produziert reaktionsfreudige Sauerstoffverbindungen ? meist als freie Radikale bezeichnet ?, die dazu führen, dass die Haarzellen
Kalzium aus dem umliegenden Erdreich aufnehmen. Dieses Kalzium hat eine Doppelfunktion: Es stimuliert das Wachstum des Wurzelhaares und kurbelt gleichzeitig die Produktion der freien Radikale durch die RHD2-Oxidase an. Das verstärkt wiederum die Kalziumaufnahme, und der Zyklus beginnt von vorn. Er stoppt erst, wenn das Wurzelhärchen an ein Hindernis stößt und kein weiteres Kalzium mehr aufnehmen kann.
Damit sei der Wachstumskontrollmechanismus identifiziert, der den Härchen ermöglicht, den Weg zu finden und sich zu verlängern, wenn der Durchgang frei ist, erklärt Dolan. Das Prinzip sei vergleichbar mit dem eines Menschen, der im Dunklen nach einem Weg sucht: Wenn er an ein Hindernis stößt, tastet er so lange die Umgebung ab, bis er einen freien Raum findet, und orientiert sich dann in diese Richtung. Neben den Wurzeln nutzen nach Angaben der Forscher auch Keimlinge dieses System, das ihnen ermöglicht, sich durch die Erde zu winden, ohne dass sie sich aufwändig hindurchgraben müssten.
Liam Dolan (John-Innes-Forschungszentrum, Norwich) et al.: Science, Band 319, S. 1241 ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel