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Was Europas Fledermäuse schützt

Weißnasenkrankheit

Was Europas Fledermäuse schützt
Im Gegensatz zu seinen amerikanischen Cousins wird das Große Mausohr nicht durch den Pilzbefall beim energiesparenden Winterschlaf gestört. (Bild: Remus86/iStock)

Schlaf trotz Pilzbefall: Forscher haben aufgedeckt, warum die europäischen Fledermäuse die Weißnasenkrankheit überleben, während ihre nordamerikanischen Cousins millionenfach daran zugrunde gehen. Demnach kann die Immunabwehr der Europäer den Erreger auch während des Winterschlafs in Schach halten. Die amerikanischen Fledermäuse werden durch den Befall hingegen aus dem Schlaf gerissen, wodurch sie ihre winterlichen Energiereserven verbrauchen und sterben. Da der Pilzerreger aus Europa stammt, konnten die dortigen Fledermausarten offenbar eine Toleranz entwickeln, erklären die Forscher.

Während des Winterschlafs bekommen befallene Fledermäuse eine „verschimmelte Nase“ – dieses Symptom hat der Pilzinfektion den Namen Weißnasenkrankheit (White-Nose-Syndrom) eingebracht. Der Erreger Pseudogymnoascus destructans kann sich besonders gut entwickeln, wenn die Fledermäuse des Nordens kühl und regungslos in ihren Winterquartieren schlummern. Besonders schlimm hat sich der Befall in Nordamerika in den letzten 20 Jahren entwickelt: Die Weißnasenkrankheit hat Millionen von Fledermäusen dahingerafft und einige Arten an den Rand der Ausrottung gebracht. Offenbar handelt es sich dort um einen eingeschleppten Erreger: Wie eine frühere Studie gezeigt hat, stammt P. destructans ursprünglich aus Europa. Dies könnte die höhere Widerstandsfähigkeit der europäischen Fledermausarten gegen diese Krankheit erklären: Sie überleben eine Infektion mit Pilz meistens. Auf welchen Mechanismen diese geringere Anfälligkeit beruht, war bisher allerdings unklar.

Wie überleben die europäischen Fledermäuse?

Dieser Frage sind nun die Forscher um Marcus Fritze vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin nachgegangen. Sie untersuchten dazu 61 mit dem Pilz infizierte Große Mausohren (Myotis myotis) in Winterquartieren in Deutschland. Die Tiere wurden je nach Schwere des Befalls in drei Gruppen eingeteilt: asymptomatisch, milde Ausprägung oder schwerwiegende Symptome. Die Wissenschaftler erfassten die Körpermerkmale der Versuchstiere, führten Blutuntersuchungen durch und analysierten vor allem das Verhalten während des Winterschlafs. Denn es ist von den amerikanischen Arten bereits bekannt, dass die Pilzinfektion bei ihnen zu einem häufigeren Erwachen aus dem Dämmerzustand führt.

„Wir konnten nun zeigen, dass es bei den Mausohrfledermäusen keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen dem Infektionsgrad und der Häufigkeit des Aufwachens gibt“, sagt Fritze. „Dies passt zu der Idee, dass der Pilz bei den europäischen überwinternden Fledermäusen keine akute Immunreaktion auslöst, sondern von der Basisimmunität der Fledermäuse unter Kontrolle gehalten wird“, so der Wissenschaftler. Im Gegensatz dazu wachen nordamerikanische Fledermäuse wie Myotis lucifugus bei einer Infektion mit dem Pilz häufig auf, damit die Immunabwehr in Gang kommen kann. Dieses Aufwachen und die Immunreaktion benötigen allerdings viel Energie und erzwingen den vorzeitigen Abbau der Fettspeicher, erklären die Forscher.

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Kein Aufwachen nötig

Ihre Untersuchungen deckten auch Details der Widerstandsfähigkeit der europäischen Fledermäuse auf: Eine zentrale Rolle bei der Immunreaktion der Mausohrfledermäuse während der Winterruhe spielt demnach das Protein Haptoglobin. Dabei handelt es sich um eine Abwehrsubstanz, die ohne großen Energieaufwand auch während des Winterschlafs gebildet werden kann. „Unsere Ergebnisse belegen die zentrale Rolle von Haptoglobin bei der Immunabwehr gegen den Pilz. Interessanterweise reicht die Basiskonzentration dieses Proteins aus, um europäische Fledermäuse vor dem Pilz zu schützen. Demnach besteht keine Notwendigkeit für die Fledermäuse, das Protein während der Winterruhe aktiv zu synthetisieren“, erklärt Co-Autor Gábor Á. Czirják vom IZW. Dagegen sind die amerikanischen Arten beim Kampf gegen den Erreger offenbar gezwungen, ihren Stoffwechsel hochzufahren – was sie sich aber offenbar meist nicht leisten können.

Die Resultate der Untersuchung verdeutlichen damit die Unterschiede bei den Abwehrreaktionen gegenüber dem Erreger des White-Nose-Syndroms bei europäischen und nordamerikanischen Fledermausarten, resümieren die Wissenschaftler. „Toleranzstrategien können eine effiziente Abwehr gegenüber Pilzkrankheiten darstellen, wie unsere Ergebnisse mit der Mausohrfledermaus zeigen“, sagt Voigt. „Bei nordamerikanischen Fledermäusen ist diese Fähigkeit aber nicht in ausreichendem Maße vorhanden, womöglich weil der Erreger ursprünglich aus Europa stammt und die europäischen Arten dadurch einen Vorsprung bei der Entwicklung effizienter Abwehrmechanismen haben“, sagt der Forscher.

Somit bleibt nun zu hoffen, dass auch in Amerika natürliche Anpassungsmechanismen irgendwann dazu führen, dass die dortigen Fledermäuse nicht mehr von dem Pilz aus dem Schlaf gerissen werden.

Quelle: Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung

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