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„Was in mir rumliegt, weiß niemand genau“

Interview mit einem Salzbergwerk

„Was in mir rumliegt, weiß niemand genau“
Das Atommüll-Versuchslager Asse II über Uran und Plutonium und die radioaktive Lauge auf der 975-Meter-Sohle. Glück auf, alte Schachtanlage, wie geht’s? Wunderbar! Endlich mal wieder in den Nachrichten! Die Schlagzeilen sind aber nicht gerade schmeichelhaft. Es heißt, Sie seien nicht ganz dicht. Jou, auf meiner Südseite strömt Grundwasser aus dem Deckgebirge in den Salzstock. Das suppt durch die Gänge, in denen früher das Salz abgebaut wurde. Auf der 658-Meter-Sohle wird es großteils aufgefangen. Dann gibt

Das Atommüll-Versuchslager Asse II über Uran und Plutonium und die radioaktive Lauge auf der 975-Meter-Sohle.

Glück auf, alte Schachtanlage, wie geht’s?

Wunderbar! Endlich mal wieder in den Nachrichten!

Die Schlagzeilen sind aber nicht gerade schmeichelhaft. Es heißt, Sie seien nicht ganz dicht.

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Jou, auf meiner Südseite strömt Grundwasser aus dem Deckgebirge in den Salzstock. Das suppt durch die Gänge, in denen früher das Salz abgebaut wurde. Auf der 658-Meter-Sohle wird es großteils aufgefangen. Dann gibt es noch eine Art Sumpf auf der 750-Meter-Sohle und einen auf der 975-Meter-Sohle. Da schwappt radioaktive Brühe, die mit Caesium 137 belastet ist.

Sie sind also ein echtes Auslauf-Modell.

Schöner Kalauer! Und das bei meiner reichen Vergangenheit! Schon zu Kaisers Zeiten war ich bedeutend wegen meiner Kalisalze. Und danach wurde jahrzehntelang Steinsalz abgebaut: „Asse Sonnensalz“. Erste Qualität!Irgendwann war dann beim Salz Schicht im Schacht und ich wurde ein Atommüllager. Die Hohlräume wollten ja gefüllt werden.

Was wurde denn in Ihnen so gelagert?

Überwiegend schwach- bis mittelradioaktives Zeug, das meiste aus der damaligen Kernforschungsanlage Karlsruhe: Arbeitsanzüge und Putzlumpen; Filter und Filterstäube; Schlämme. Und jede Menge Eisenschrott. Insgesamt von 1967 bis 1978 rund 125000 Fässer.

Aber Sie sollten doch eigentlich gar kein Endlager sein, sondern ein Forschungsbergwerk, in dem die Endlagerung nur erprobt wird!

Ich hab mich auch immer gewundert, wie locker die das hier alles sehen! Offenbar konnte man in der Zwischenzeit nichts Besseres finden. Und es weiß auch niemand mehr genau, was da so alles in mich reingekippt wurde. Das wurde früher nicht so exakt dokumentiert. Jetzt sprechen die sogar ihre pensionierten Arbeiter an, um zu erfahren, wer sich an was erinnern kann.

Jüngst tauchte ein Lieferschein von 1976 mit dem Vermerk auf: „Brennstäbe in Blechdose“…

Das war ’ne satte Lieferung! Eine Tonne Uran, dazu ’n bisschen Plutonium, von der Kernforschungsanlage Jülich. Alles ohne atomrechtliche Genehmigung, hihi. Das waren Zeiten!

Um Gottes Willen! Wie war sowas denn möglich?

Für mich gilt nicht das Atomrecht, sondern das einfachere Bergrecht. Da spart man sich ’ne Menge Stress mit der Öffentlichkeit. Genialer Kniff von den Beamten damals!

Aber Sie sind doch für hochradioaktives Material wie abgebrannte Brennstäbe schon gleich gar nicht geeignet!

Tja, das ist nun wirklich nicht meine Schuld!

Wie geht es jetzt weiter? Ihre Betreiber vom Helmholtz-Zentrum wollen sie demnächst gezielt fluten.

Also erstmal: Fluten klingt sehr unschön! Nein, die wollen mich mit einer gesättigten Magnesiumchlorid-Lösung verfüllen. Damit meine Magnesiumsalze nicht von dem einströmenden Grundwasser aufgelöst werden und das Ganze mit Getöse zusammenkracht.

Und was passiert dabei mit den Atommüll-Fässern?

Tja, die werden wohl irgendwann durchrosten. Das ist jetzt natürlich ein echtes Dilemma: Lässt man die Hohlräume leer, stürzt vielleicht irgendwann das Bergwerk zusammen. Flutet man aber, dann lösen sich die Fässer in absehbarer Zeit auf, und dann liegt in 50 oder 100 Jahren da unten eine ordentlich strahlende Grundwasserschicht. Der Müll wird Euch also in jedem Fall noch beschäftigen, herzlichen Glückwunsch! Kennen Sie übrigens den alten Spruch der Salzbergleute? „Es grüne die Tanne, es wachse das Salz …“

„… Gott halte uns allen das Wasser vom Hals!“

Genau. Aber Gott ist kein Bergbau-Kumpel. Der lässt es fließen, wo es will.

GESPRÄCH: MARTIN RASPER

Das ehemalige Salzbergwerk Asse II bei Wolfenbüttel wurde 1967 als Versuchs-Endlager eingerichtet. Anhand von schwach- und mittelradioaktivem Material sollte eigentlich nur geprüft werden, ob Salzstöcke wie der von Gorleben als Endlager für hoch radioaktiven Müll geeignet sind. Dass die Asse so nebenbei zum einzigen Endlager Deutschlands für schwach- bis mittelradioaktives Material wurde, war nicht unwillkommen. Die Einlagerung endete 1978; wegen Instabilität wird die Anlage demnächst geschlossen. Bürgerinitiativen fordern, den Atommüll wieder rauszuholen.

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