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Was ist schlimmer – Wilderei oder Forstwirtschaft?

Erde|Umwelt

Was ist schlimmer – Wilderei oder Forstwirtschaft?
Walddegradierung durch selektiven Holzeinschlag. (Bild: Andrew Tilker, Leibniz-IZW)

Wie lassen sich die Tiere der asiatischen Tropenwälder am besten schützen? Bisher schien der Erhalt intakter Ökosysteme dabei am wichtigsten. Doch nun geht aus einer Studie hervor: In vielen Fällen scheint es sinnvoller zu sein, in Programme gegen Wilderei zu investieren. Denn die Verluste durch diese Belastung können unterm Strich eine stärkere Bedrohung für die Tierwelt darstellen als die Degradierung der Regenwälder durch eine forstwirtschaftliche Nutzung.

Überall auf der Welt sind die Tropenwälder und ihre Artenvielfalt durch den Menschen bedroht – doch besonders schlimm ist die Lage in Südostasien: Die Zerstörung der Lebensräume und Verluste durch Fallenstellerei richten unter der dortigen Tierwelt katastrophale Schäden an. Umweltschützer versuchen deshalb, diese beiden Faktoren einzuschränken. Doch dabei ist leider oft ein Abwägen angesagt, denn für den Artenschutz stehen bekanntlich nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung. In diesem Zusammenhang galt bisher: Die Zerstörung des Lebenssaums ist die schlimmere Bedrohung für die Tiere der tropischen Regenwälder. Doch wie die Forscher um Andrew Tilker Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin (IZW) erklären, war dies bisher kaum wissenschaftlich belegt. Sie haben deshalb nun verglichen, wie schwerwiegend die Effekte von Wilderei und Forstwirtschaft im Hinblick auf die Artenvielfalt bei Säugetieren und Vögeln sind.

Zwei Regionen bieten ideale Vergleichsmöglichkeiten

Die Forscher führten dazu eine groß angelegte Kamerafallen-Untersuchung in zwei unterschiedlichen Regionen durch: In mehreren forstwirtschaftlich genutzten Wäldern im malaysischen Borneo und in Schutzgebieten im Truong-Son-Gebirge in Vietnam und Laos, von denen bekannt ist, dass sie der Wilderei ausgesetzt sind. „Wir hatten die einzigartige Gelegenheit, die komplexen Mechanismen dieser Triebkräfte des Verlustes der biologischen Vielfalt zu untersuchen und ihre negativen Auswirkungen direkt zu vergleichen“, sagt Tilker.

Wie die Forscher erklärten, wird in den Untersuchungsgebieten im malaysischen Teil von Borneo der tropische Regenwald zwar durch selektiven Holzeinschlag degradiert, dort wird aber sehr wenig gewildert. In den Bergen in Vietnam und Laos ist es hingegen umgekehrt: Die Regenwälder sind dort strukturell intakt, die Tierwelt ist aber einem hohen Druck durch Wilderei ausgesetzt – hauptsächlich durch Schlingfallen. „Da die beiden Untersuchungslandschaften ähnliche Lebensräume und Tiergemeinschaften aufweisen, bot sich somit die Gelegenheit zu untersuchen, inwieweit sich diese Prozesse in ihren Auswirkungen auf die Tiergemeinschaften des tropischen Regenwaldes unterscheiden“, sagt Tilker.

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Wilderei schadet mehr

Wie die Wissenschaftler berichten, dokumentierte die Untersuchung erneut, dass sowohl Holzeinschlag als auch Wilderei den bodenlebenden Säugetier- und Vogelgemeinschaften sehr schaden. Doch bei genauerer Betrachtung geht aus ihren Datenauswertungen hervor: Die Wilderei mit Schlingfallen stellt eine größere Bedrohung dar als die forstwirtschaftliche Nutzung. Im Truong-Son-Gebirge in Vietnam und Laos stellten die Forscher höhere Anteile an lokal ausgerotteten Arten fest als in den forstlich genutzten Untersuchungsgebieten in Borneo. Der Grund dafür ist ihnen zufolge, dass durch Schlingfallen wahllos alle Tiere getötet werden, die sich in den Drähten verfangen.

„Die Ergebnisse liefern nun wichtige Hinweise für konkrete Naturschutzbemühungen“, sagt Co-Autor Jesse Abrams vom IZW. Obwohl sowohl die Lebensraumzerstörung als auch das Fallenstellen bekämpft werden sollten, könnte es in einigen Fällen sinnvoller sein, begrenzte finanzielle Ressourcen im Natur- und Artenschutz für Programme gegen Wilderei einzusetzen als für den Habitatschutz, resümieren die Wissenschaftler.

Da es sich bei der Widlerei durch Drahtschlingen um eine weit verbreitete Jagdmethode in Südostasien handelt, haben die Untersuchungsergebnisse eine weitreichende Bedeutung in der Region, betonen die Wissenschaftler. Und leider ist ihnen zufolge eine Zunahme dieser Praktik zu verzeichnen. „Um leere Regenwälder zu verhindern und gesunde Populationen der heute zu den seltensten Arten der Welt gehörenden Säugetiere und Vögel zu erhalten, muss die großflächige Wilderei mit Drahtschlingen intensiv bekämpft werden“, sagt Co-Autor Ben Rawson vom WWF-Vietnam.

Quelle: Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung im Forschungsverbund Berlin e.V., Fachartikel: Communications Biology, doi: 10.1038/s42003-019-0640-y

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