Die Zwergmistel verbreitet ihren Samen mit großem Nachdruck: Die parasitisch lebende Pflanze schleudert ihn mit extremem Wasserdruck bis zu zwanzig Meter weit. Diesen im Pflanzenreich äußerst seltenen Fortpflanzungsmechanismus schildern kanadische Botaniker in der Fachzeitschrift Canadian Journal of Botany (Bd. 82, S. 1566).
Im Gegensatz zu ihrer großen Verwandten, deren Samen eher gemächlich über Vogelkot verbreitet werden, überlässt die Zwergmistel nichts dem Zufall und nimmt die Verbreitung ihrer Samen selbst in die Hand. Die Samen der Zwergart reifen über einen Zeitraum von anderthalb Jahren heran und werden dann aus den Früchten gesprengt, erklärt Cynthia Ross vom University College of the Cariboo in Kamloops (Kanada). Gemeinsam mit ihrem Kollegen Michael Sumner von der Universität von Manitoba in Winnipeg hatte die Forscherin die Entwicklung des Samenembryos der Zwergmistel akribisch mit dem Mikroskop beobachtet.
Die wachsende Frucht speichert immer mehr Wasser in einer gelatineartigen Substanz, die von spiralförmigen Zellen abgesondert wird. Der Wasserdruck baut sich so lange auf, bis die Frucht schließlich explodiert und den reiskorngroßen Samen dabei wegschleudert. Unterstützt wird dieser Schuss von der spiraligen Form der Zellen. Dabei bersten alle Früchte innerhalb von nur etwa zwei Tagen.
Und noch eine weitere sexuelle Eigenart haben die Botaniker bei der Zwergmistel beobachtet: Bei gewöhnlichen Samenpflanzen löst erst die Ausbildung von Ei und umgebenden Zellen ein chemisches Signal aus, das den Wachstumsprozess des so genannten Pollenschlauchs in Gang setzt. Über diesen gelangt der Samen zum Ei und befruchtet es. Doch bei der Zwergmistel wächst der Pollenschlauch mit Samen schon viel früher in der noch jungen Pflanze und wartet dann an der Stelle, an der sich erst sehr viel später das Ei entwickeln wird.
ddp/bdw ? Cornelia Dick-Pfaff