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Wenn das Immunsystem Hilfe braucht: Therapeutisches Impfen soll chronische Infektionen bekämpfen

Erde|Umwelt Gesundheit|Medizin

Wenn das Immunsystem Hilfe braucht: Therapeutisches Impfen soll chronische Infektionen bekämpfen
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Impfungen wurden bislang vor allem zur Prophylaxe eingesetzt. Doch künftig könnte es auch so genannte therapeutische Impfungen geben. Ziel einer solchen Behandlung ist, dem Immunsystem unter die Arme zu greifen und dadurch chronische Infektionen zu bekämpfen. Zu den ersten Krankheiten, die mit dem Verfahren behandelt werden sollen, gehören HIV und Hepatitis B.

Impfungen zur Vorsorge sind heute etwas Selbstverständliches: Mithilfe eines inaktivierten Erregers oder eines Teils davon wird dem Immunsystem eine Infektion vorgegaukelt, auf die es mit der Bildung von Abwehrmechanismen reagiert. Kommt der Organismus später tatsächlich mit dem Erreger in Berührung, hat er sofort die passenden Waffen parat und kann die Krankheit mühelos abwehren. Dieses Prinzip der prophylaktischen Impfung stammt bereits aus dem Jahr 1796 und wurde von dem englischen Arzt Edward Jenner entdeckt und entwickelt. Sein französischer Kollege Louis Pasteur erweiterte das Konzept etwa 90 Jahre später um die so genannte Postexpositionsprophylaxe: Eine Impfung kann auch dann noch die Krankheit verhindern, wenn sie erst nach dem Eindringen der Erreger in den Körper erfolgt, stellte Pasteur fest.

Genau diese Entdeckung führte nun zu einer weiteren Idee, dem so genannten therapeutischen Impfen: Dabei wird dem Immunsystem von Patienten mit einer chronischen Infektion mithilfe einer Impfung unter die Arme gegriffen. Dabei setzen die Mediziner nicht, wie bislang üblich, Wirkstoffe ein, um die Zahl der Erreger zu erniedrigen. Sie versuchen vielmehr, die Reaktion des Immunsystems so stark anzukurbeln, dass es alleine mit den Erregern fertig wird.

Das Prinzip dahinter: Nach einer Infektion reagiert der Körper auf bestimmte Markermoleküle an der Oberfläche der Erreger und bildet viele spezielle Abwehrzellen, die so genannten T- und B-Lymphozyten, die den eindringenden Erreger bekämpfen. Dauert dieser Kampf jedoch zu lange, wie es bei chronischen Infektionen der Fall ist, erschöpft sich das Immunsystem. Die Zahl der Abwehrzellen nimmt immer mehr ab, bis das Immunsystem schließlich nicht mehr in der Lage ist, die Zahl der Erreger zu kontrollieren.

An diesem Punkt setzt die therapeutische Impfung an: Mithilfe gentechnisch designter, für den Körper unschädlicher Viren werden die Erkennungsmoleküle der Erreger erneut in den Körper eingeschleust und provozieren so eine erneute akute Immunreaktion. Damit bekommt der Körper die Infektion wieder unter Kontrolle und ein Ausbruch der Krankheit wird verhindert.

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Irgendwann, so hoffen die Wissenschaftler, könnte die therapeutische Impfung das Immunsystem so verstärken, dass es auch die hartnäckigsten Erreger im Körper vollständig eliminieren kann. Soweit ist es jedoch noch lange nicht: „Die Viren weg zu bekommen ist im Moment noch nicht möglich“, erklärt Antonio Cosma gegenüber ddp. Der Wissenschaftler arbeitet am Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit (GSF) in München an der Entwicklung einer therapeutischen Impfung bei HIV-Infektionen.

Die Münchner Forscher haben ihre Ziele deutlich niedriger gesteckt: Sie hoffen, mit ihrer Impfung irgendwann die antivirale Therapie bei HIV-Infektionen ersetzen zu können, die starke Nebenwirkungen hat und, besonders bei der Langzeitanwendung, extrem teuer ist. Dabei konnten sie auch schon erste Erfolge verbuchen: „In unserer ersten klinischen Studie haben wir zehn HIV-infizierte Patienten jeweils dreimal geimpft“, beschreibt Cosma den Ansatz. „Dabei konnten wir zeigen, dass die Impfung tatsächlich eine Reaktion des Immunsystems bei den Teilnehmern bewirkt hat“. Ob diese Aktivierung auch ausreicht, um die Infektion zu kontrollieren, wissen Cosma und seine Kollegen jedoch noch nicht. „Das soll sich im nächsten Teil der Studie zeigen, der jetzt gerade anläuft.“

Therapeutisches Impfen kann jedoch nicht nur bei HIV eingesetzt werden. Auch bei anderen chronischen Infektionen wie beispielsweise Hepatitis B gibt es schon erste Ergebnisse, wie das Fachmagazin „Science“ in einem Schwerpunkt berichtet. Hepatitis B ist mit etwa 200 Millionen Trägern weltweit eine der verbreitetesten Infektionskrankheiten. Bei zwei Dritteln der Infizierten wird aus der akuten Infektion eine chronische, die zu einer chronischen Leberentzündung, einer Leberzirrhose oder sogar zu Leberkrebs führen kann. Bei Säuglingen, die sich bei ihren infizierten Müttern angesteckt haben, verhindert eine therapeutische Impfung jedoch den Ausbruch dieser Krankheiten in 85 Prozent der Fälle, berichtet „Science“.

Doch auch wenn diese ersten Ergebnisse vielversprechend erscheinen, stellt der neue Ansatz bisher noch keine Alternative zu den momentan angewandten Therapien dar. Das ist auch Antonio Cosma völlig klar: „Die Methode könnte eine Alternative werden – falls sie jemals funktioniert.“

ddp/bdw – Ilka Lehnen-Beyel
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