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Wettstreit der schlauen Kakadus

Erde|Umwelt Gesellschaft|Psychologie

Wettstreit der schlauen Kakadus
Ein Goffinkakadu zeigt in der Innovation Arena, was er drauf hat. (Bild: Berenika Mioduszewska)

Sie sind die gefiederten Stars der Kognitionsforschung: Viele Studien belegen die erstaunlichen Intelligenzleistungen von in Gefangenschaft gehaltenen Goffinkakadus. Doch inwieweit handelt es sich dabei um einen „Haltungseffekt“? Um dieser Frage nachzugehen, haben Verhaltensforscher nun wilde und vom Menschen gehaltene Kakadus in einer „Innovation Arena“ gegeneinander antreten lassen. Dabei zeigte sich: Raffinierte Strategien entwickeln die Vögel offenbar bei beiden Lebensweisen – es gibt aber interessante Unterschiede.

Sie gebrauchen Werkzeuge, stellen sie sogar selber her und begreifen komplexe Zusammenhänge: Die Goffinkakadus (Cacatua goffiniana) erreichen ein Intelligenzniveau, das in der Tierwelt selten ist. Während andere Arten spezialisierte Anpassungen wie etwa eine lange Zunge oder einen starken Schnabel besitzen, ist das wichtigste Werkzeug der schlauen Papageienvögel ihr scharfer Verstand – ähnlich wie bei uns Menschen. Dabei zeichnet die Goffinkakadus auch ein flexibler Erfindungsgeist aus: „Vielleicht könnte ich ja dieses Stöckchen nutzen, um an mein Ziel zu kommen…“ Durch diese Fähigkeiten zur Innovation können die Vögel teils komplexe Probleme meistern, zeigen bereits viele Studien.

Die meisten Untersuchungen zu den kognitiven Leistungen der Goffinkakadus wurden jedoch an in Europa gezüchteten Tieren durchgeführt. Natürlicherweise leben die Vögel auf den kleinen, zu den Molukken gehörenden Tanimbar-Inseln Indonesiens. Es ist davon auszugehen, dass es einen gewissen Haltungseffekt bei der tierischen Intelligenz der Kakadus gibt, sagen die Forscher um Theresa Rößler von der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Es scheint möglich, dass aufgrund der Nähe zum Menschen und einer weitgehend künstlichen Umgebung eine höhere Innovationsfähigkeit entsteht.

Eine Arena mit kniffligen Aufgaben

Um den Unterschieden auf die Spur zu kommen, haben die Verhaltensforscher wilde und in Gefangenschaft gehaltenen Goffinkakadus in einer sogenannten „Innovation Arena“ antreten lassen. Es handelt sich dabei um eine halbkreisförmige Anordnung aus 20 verschiedenen „Puzzle-Boxen“. Bei jeder dieser Einheiten sind unterschiedliche Aktionen nötig, um Zugang zu einem Leckerbissen zu erhalten. Beispielsweise müssen bestimmte Elemente gedreht, gezogen oder durchgebissen werden, um zum Erfolg zu kommen. Jeder der gefiederten Kandidaten bekam bei den Versuchen eine begrenzte Zeit, um so viele Belohnungen wie möglich zu ergattern. Das jeweilige Tier durfte später dann erneut in die frisch mit Leckereien bestückte Arena. Dieselben Puzzle-Boxen waren dann aber in einer anderen Reihenfolge angeordnet. Diese Prozedur wurde fortgesetzt, bis der jeweilige Kandidat entweder alle Aufgaben gemeistert hatte oder keine neuen Lösungen mehr finden konnte.

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Bei den Versuchen ließen die Forscher vorübergehend eingefangene Wildvögel aus Tanimbar und in Volierenhaltung lebende Vögel aus Österreich in einem „Fernkampf“ gegeneinander antreten. Wie sie berichten, zeichnete sich zunächst erneut ab, dass es unter den Tieren eine starke Variationsbreite der Persönlichkeiten gibt. „Wir haben festgestellt, dass einzelne Vögel entweder sehr eifrig mit den Puzzle-Boxen interagieren und die Probleme lösen wollten oder dies nur ungern taten“, sagt Co-Autorin Berenika Mioduszewska, die die Wildvögel in Indonesien testete. Dabei zeigte sich auch ein Unterschied zwischen den beiden Gruppen: „Obwohl keiner der Vögel Angst vor dem Aufbau hatte, zeigten weniger wilde als gefangen gehaltene Vögel Interesse an einer Interaktion mit der Arena“, berichtet Mioduszewska. Doch wenn einer der Vögel tatsächlich Motivation entwickelte, schnitt er nicht schlechter ab als seine Artgenossen aus der menschlichen Obhut: Sie fanden Problemlösungen im gleichen Tempo und lösten letztendlich sogar die meisten Aufgaben in der Arena, berichten die Wissenschaftler.

Ähnlich clever

„Das bedeutet letztlich, dass der Unterschied zwischen Team ‚Wild‘ und Team ‚Zahm‘ in diesem Experiment eher in der Motivation als in der kognitiven Gesamtfähigkeit zur Lösung der Probleme bestand, die in beiden Gruppen ähnlich zu sein scheint“, erklärt Senior-Autorin Alice Auersperg. „Mit anderen Worten: Die Wildvögel können sich perfekt mit den in Gefangenschaft gehaltenen Vögeln messen – wenn sie nur wollen“, so die Verhaltensforscherin. Wie sie und ihre Kollegen erklären, ist das menschliche Umfeld vermutlich auch nur scheinbar herausfordernder als der natürliche Lebensraum: Eine tropische Insel mit ihren vielen unvorhersehbaren und saisonal unterschiedlichen Ressourcen ist möglicherweise sogar kognitiv anspruchsvoller, so die Wissenschaftler.

Wie sie weiter berichten, zeigten die Versuche auch, dass beide Gruppen prinzipiell ähnliche Talente und Schwächen besitzen. „Beispielsweise hatten beide Gruppen auffällige Probleme mit Aufgaben, die mehrere sich wiederholende Aktionen erforderten, wie etwa das Durchbeißen von Toilettenpapier oder das Drehen einer Mühle. Das Bewegen einer flachen Scheibe mit DJ-ähnlichen Bewegungen, meisterten sie hingegen gut“, sagt Rößler.

Auch ein Effekt der Erfahrung schien sich abzuzeichnen: Die in Gefangenschaft gehaltenen Vögel übertrafen die Wildvögel bei der „Knopf-Aufgabe“, bei der die Tiere einen Bolzen drücken mussten, um die Belohnung von einer Plattform zu stoßen. „Wir glauben, dass dieser Unterschied durch frühere Erfahrungen zu erklären ist, da die Vögel zuvor an Studien teilgenommen hatten, bei denen sie Stöcke als Sondierungswerkzeuge verwenden mussten“, so Rößler.

Das Team plant nun, die „Innovation Arena“ in einem größeren Maßstab für Vergleichstests einzusetzen – und zwar über Artgrenzen hinweg: Die Forscher wollen auch andere intelligente Vogelarten wie Rabenvögel antreten lassen und auch Primaten oder sogar Kindergartenkinder. Welche Puzzle-Boxen welchen Kandidaten besonders liegen oder nicht, könnte Einblicke in die Unterschiede der kognitiven Fähigkeiten der intelligentesten Wesen der Erde geben.

Quelle: Veterinärmedizinische Universität Wien, Fachartikel: Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-020-65223-6

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