Mehr als hundert Aromastoffe werden heutzutage biotechnologisch gewonnen, schätzt der Experte Jens Schrader vom Karl-Winnacker-Institut bei der DECHEMA e. V. in Frankfurt. Hefen etwa verwandeln einen Bestandteil aus Rizinusöl in Pfirsicharoma. Essigsäurebakterien helfen dabei, aus Fuselalkoholen Himbeer- und Johannisbeeraromen zu zaubern. Apfelgeschmack entsteht, wenn Hefen eine Komponente aus Rapsöl zum Verzehr gereicht wird.
Eine neuartige Mikroben-Aromafabrik entwickelt derzeit Holger Zorn, Biotechnologe an der Technischen Universität Dortmund. Der Baumpilz Pleurotus sapidus verwandelt in seinem Labor eine Substanz aus Orangenschalen in einen Baustein des Grapefruitaromas, das Nootkaton. „Unser Baumpilz ist sogar ein Speisepilz. Das bietet einen Sicherheitsvorteil“, betont Zorn. In seinem Bioreaktor wachsen allerdings keine hutförmigen Pilze, wie man sie aus dem Wald kennt. Vielmehr schwimmen kleine, igelartige Pilzkügelchen in einer knallgelben Flüssigkeit.
„Es gibt bisher kein natürliches Grapefruitaroma auf Basis von Nootkaton auf dem Markt. Es aus der Grapefruit zu isolieren, würde mehrere Millionen Euro kosten“, sagt der Forscher. Mehrere Firmen haben deshalb bereits Interesse bekundet. Sie könnten das Aroma beispielsweise Fruchtschorlen zugeben. „Wir sind optimistisch, dass wir in zwei bis drei Jahren einen Durchbruch erzielen können“, verkündet Zorn.
Das Potenzial der Baumpilze für die Aromaindustrie ist in seinen Augen noch lange nicht erschöpft: Der Knoblauchschwindling Marasmius scorodonius, der als Würzpilz in Nahrungsmitteln vorkommt, kann Carotinoide aus der Karotte in Veilchenaroma verwandeln. „Das würde man natürlich nicht in Lebensmitteln einsetzen, sondern in Parfüm“, kommentiert Zorn.
Besonders begehrt ist der Aromastoff aus der Vanilleschote, das Vanillin. Ohne die blumig-süße Geschmacksnote kommt kein Vanillepudding und kein -eis aus. Natürliches Vanillin lässt sich theoretisch aus den schwarzen Schoten isolieren. Doch das Verfahren wäre „exorbitant teuer, da der Gehalt des Aromastoffs in der Schote nur bei ungefähr zwei Prozent liegt“, schildert Jürgen Rabenhorst, Biotechnologe an der Fachhochschule Lippe und Höxter in Lemgo. Bis vor kurzem war er noch Mitarbeiter im Holzmindener Unternehmen Symrise, das verschiedene Aromastoffe mit Hilfe von Mikroorganismen herstellt.
Dort entwickelte er ein Verfahren, um das wertvolle Aroma biotechnologisch zu erzeugen: Das Bakterium Amycolatopsis kann eine Substanz aus Reiskörnern, die Ferulasäure, zu Vanillin machen. Die Mikrobe ist natürlichen Ursprungs, sie haust für gewöhnlich im Erdreich: „Gentechnisch veränderte Mikroorganismen sind für die deutsche Aromenindustrie tabu“, versichert Rabenhorst.
Die biotechnologische Herstellung von Vanillin konnte jedoch die synthetische Produktion nicht verdrängen: Das mikrobielle Produkt kostet das 60-Fache und wird nur in Mengen von höchstens zehn Tonnen pro Jahr verkauft. Das chemische Analogon wird dagegen in Mengen von 10.000 Tonnen nachgefragt.
„Ich weiß keinen Prozess, bei dem die Biotechnologie bisher die chemische Synthese abgelöst hat“, so Rabenhorst. Denn die Aromastoffe, die von Hefen, Pilzen oder Bakterien erzeugt werden, sind fast immer zehn- bis hundertmal so teuer wie die künstlichen Aromen.
Die Biotechnologen können jedoch längst nicht alle Aromen der Natur nachstellen. Voraussetzung ist, dass das zu imitierende Aroma eine Schlüsselkomponente enthält, die dann von der Mikrobe erzeugt werden kann. Ist das Aroma komplex zusammengesetzt, wie bei der Erdbeere mit mehr als 360 verschiedenen Substanzen und 19 Hauptkomponenten, müssen die Biotechnologen passen. „Es gibt deshalb kein künstliches oder biotechnologisches Erdbeeraroma, das mit dem Geschmack einer natürlichen Erdbeere mithalten kann“, räumt Zorn ein.