Zuckmücken nutzen eine schlaue Strategie, um ihren geografischen Horizont zu erweitern: Sie schicken ihre Larven als blinde Passagiere im Darm von Zugvögeln auf die Reise. Trotz der widrigen Bedingungen im Verdauungstrakt der Vögel überleben so viele Larven diese Prozedur, dass sich die Insekten auf diese Weise neue Lebensräume erschließen können. Das haben spanische Wissenschaftler entdeckt, als sie die Hinterlassenschaften von Uferschnepfen in einem Marschgebiet in Andalusien analysierten.
Die Larven der Zuck- oder Schwarmmücke
Chironomus salinarius leben im Brack- oder Salzwasser von Marschgebieten. Genau dort machen auch viele Zugvögel auf ihrem Weg nach Süden Pause, darunter die Uferschnepfe, die sich bevorzugt von den Mückenlarven ernährt. Bislang war jedoch unklar, ob die jungen Mücken die Passage durch den Vogeldarm überleben können oder nicht. Aus diesem Grund sammelten die Forscher sechs Fäkalienproben von Uferschnepfen ein und suchten darin nach lebenden Mückenlarven. Tatsächlich fanden sie in drei der sechs Proben Larven, denen die Verdauungsvorgänge offenbar nicht geschadet hatten. Wahrscheinlich ist den Tieren dabei ihre Fähigkeit zugute gekommen, den ständig wechselnden Salzgehalt ihrer Umgebung zu tolerieren, vermuten die Wissenschaftler.
Das Reisen im Vogelinneren eröffnet den Insekten nach Ansicht der Forscher aus mehreren Gründen neue Lebensräume. So können die erwachsenen Zuckmücken zwar fliegen, erreichen auf diese Weise aber lediglich einen Radius von etwa einem Kilometer. Außerdem haben sie nur zu einer bestimmten Zeit ihres Lebens Flügel, was ihre Bewegungsfähigkeit ebenfalls einschränkt. Reisen sie jedoch mit den Zugvögeln, sind sie auch zu anderen Jahreszeiten mobil und erreichen auch Gebiete, die ihnen sonst nicht zugänglich wären. Die Wissenschaftler wollen nun genauer untersuchen, wie lange die Larven im Vogeldarm überleben und welche Strecken sie dementsprechend als blinde Passagiere zurücklegen können.
Andy Green & Marta Sánchez ( Biologische Station, Donana): Royal Society: Biology Letters, Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1098/rsbl.2005.0413 ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel