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Winterreifen für die Finger

Erde|Umwelt

Winterreifen für die Finger
Warum schrumpeln die Fingerspitzen, wenn man länger in der Badewanne liegt? Ganz klar, haben die meisten schon in der Schule gelernt: Innerhalb der Haut ist die Konzentration an Ionen höher als im Wasser, so dass selbiges aufgrund des osmotischen Effekts in die Hautzellen strömt und sie aufquellen lässt. Ein US-Forscherteam glaubt jetzt jedoch eine andere, sehr viel verblüffendere Erklärung gefunden zu haben: Die Runzeln entstehen nicht etwa zufällig, sondern der Körper sorgt aktiv dafür, dass sie sich bilden ? und zwar damit man nasse Gegenstände besser greifen kann. Denn ähnlich wie das Profil im Autoreifen Aquaplaning verhindert, verbessert sich durch die Rillenstruktur der runzligen Fingerspitzen auch der Kontakt mit der Oberfläche des Gegenstandes, weil das Wasser durch die Kanälchen ablaufen kann.

Der Kognitionsforscher Mark Changizi, der sich sonst hauptsächlich mit der optischen Wahrnehmung beschäftigt, stieß eher zufällig auf den Zusammenhang, berichtet er gegenüber dem Online-Dienst des Fachmagazins „Nature“. Er habe eine Veröffentlichung aus den 1930er Jahren gefunden, in der beschrieben wird, dass das Schrumpeln nicht auftritt, wenn die Nerven in einem Finger durchtrennt sind. Für ihn sei damit sofort klar gewesen, dass es sich um einen aktiven Prozess handeln müsse ? und damit höchstwahrscheinlich auch um einen funktionellen, der im Lauf der Evolution irgendeinen Vorteil mit sich gebracht hat. „Ich habe das Rätsel dann mit meinem Studenten Romann Weber diskutiert, und der sagte ‚Könnte es sich dabei um eine Art Regenreifen handeln?‘ ? Meine Antwort war ‚Genial!'“

Die Idee, die Runzeln könnten wie das Profil im Autoreifen dazu dienen, das Wasser abzuleiten und damit den Kontakt zwischen Haut und nasser Oberfläche zu verbessern, versuchte Changizi dann anhand von Fotos nasser Finger zu verifizieren. Er und seine Kollegen stellten fest: Alle Finger zeigten grundsätzlich das gleiche Runzel-Muster ? die Rillen verliefen alle von der Fingerspitze aus weg und bilden relativ lange, nicht miteinander verbundene Kanäle. So etwas sei typisch für ein Entwässerungs-Netzwerk, sagen die Forscher. Sie stellen sich die Funktion der Runzeln wie folgt vor: Presst man die Fingerspitze auf eine nasse Oberfläche, würde sich normalerweise ein dünner Wasserfilm zwischen Haut und Objekt bilden, der kaum einen Kontakt zwischen Finger und Oberfläche zulässt. Durch die Runzeln kann das Wasser jedoch abfließen, und der Kontakt wird deutlich intensiviert.

Allerdings sei diese Ansicht nicht ganz unumstritten, berichtet „Nature“. Changizi ist dennoch von seinem Szenario überzeugt ? aus einer ganzen Reihe von Gründen. So schrumpeln im Wasser lediglich Finger- und Zehenspitzen, die Körperteile also, die man zum Greifen braucht beziehungsweise früher einmal brauchte, führt er an. Auch finden sich bei Makaken in Japan, die gerne in heißen Quellen baden, ebenfalls runzlige Fingerspitzen. Schließlich habe er bereits ein paar Pilotexperimente gemacht, um nachzumessen, ob man mit schrumpeligen Fingern tatsächlich besser zugreifen kann ? und die bisherigen Ergebnisse sähen sehr vielversprechend aus.

Nature, Online-Dienst Originalarbeit der Forscher: Mark Changizi (2AI Labs, Boise) et al.: Brain, Behavior and Evolution, Online-Vorabveröffentlichung, doi: 10.1159/000328223 wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel
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