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Woher wissen Wurzeln wo unten ist?

Erde|Umwelt Nachgefragt

Woher wissen Wurzeln wo unten ist?
Ein Wurzel mit Krümmung nach unten. (Bild: IST Austria – Yuzhou Zhang/Friml Gruppe)

Sie sollen Wasser und Nährstoffe aus dem Boden holen – dazu müssen Wurzeln bekanntlich nach unten wachsen. Doch wie erkennen sie, welche Richtung sie dazu einschlagen müssen? Forscher haben nun neue Einblicke in das pflanzliche Orientierungssystem und seine Entwicklungsgeschichte gewonnen.

Es war einer der wichtigsten Schritte im Rahmen der Evolutionsgeschichte: Vor ungefähr 500 Millionen Jahren breiteten sich die Vorfahren unserer heutigen Pflanzen vom Wasser aufs Land aus. Um sich in der neuen Umgebung etablieren zu können, entwickelten sie immer leistungsfähigere Wurzeln. Denn nur durch diese Organe war es ihnen an Land möglich, sich zu verankern und Wasser sowie Nährstoffe zu sammeln, um die oberirdischen Pflanzenteile zu versorgen. Dabei war ein Aspekt besonders wichtig: Beim Wachstum mussten die Wurzeln der Schwerkraft folgen, um den Untergrund zu durchwurzeln.

Das Funktionsprinzip dieses sogenannten Gravitropismus verdeutlicht nun erneut die Studie der Forscher um Yuzhou Zhang vom Institute of Science and Technology Austria in Klosterneuburg. Sie präsentieren zudem erstmals einen Vergleich des Prozesses über das gesamte Pflanzenreich hinweg und ermöglichen damit Rückschlüsse auf die evolutionäre Entwicklungsgeschichte des Orientierungssystems der Wurzeln.

Schwere Stärkekörnchen vermitteln die Lage

Bei den hochentwickelten Blütenpflanzen ist der Wurzelgravitropismus bereits gut untersucht – er basiert auf drei Schritten: Der Wahrnehmung der Schwerkraft, der Übertragung des entsprechenden Signals und letztendlich der nach unten gerichteten Wachstumsreaktion. Die Blütenpflanzen „fühlen“ die Schwerkraft in speziellen Zellen der Wurzelspitzen durch die sogenannten Amyloplasten. Dabei handelt es sich um mit Stärke gefüllte Gebilde, die der Schwerkraft folgend nach unten sinken. Sie lösen ihrer Lage entsprechend eine mit Richtungsinformation verknüpfte Freisetzung des Botenstoffes Auxin aus. Dieses Hormon gelangt dann zum Wachstumsbereich der Wurzel, wo es die Dehnung der Unterseite hemmt. So entsteht dann im Verlauf des Wachstums die Abwärtsbiegung der Wurzel.

Im Rahmen ihrer Studie haben die Wissenschaftler nun das Wachstum der Wurzeln verschiedener Pflanzenarten unterschiedlichen evolutionären Alters untersucht – von Moosen, Bärlappgewächsen, Farnen, Nacktsamern und Blütenpflanzen. Sie ließen die Wurzeln in waagerechter Position wachsen und beobachteten dabei, ob und wann sie begannen, sich nach unten zu biegen, um der Schwerkraft zu folgen. Ergebnis: Bereits in den primitivsten Landpflanzen, den Moosen sowie den frühen Gefäßpflanzen, den Bärlappgewächsen und Farnen, fand von der Schwerkraft getriebenes Wurzelwachstum statt, allerdings vergleichsweise schwach und zudem langsam. Ein schnelles und damit viel effizienteres Wurzelwachstum in Richtung der Schwerkraft zeigten nur die höher entwickelten Samenpflanzen – die Nacktsamer und Blütenpflanzen, die vor rund 350 Millionen Jahren entstanden sind.

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Vereinfachte Darstellung der Evolution der Landpflanzen . (Bild: IST Austria)

Feingefühl seit 350 Millionen Jahren

Durch weitere Untersuchungen gewannen die Forscher dann Einblicke darin, welche evolutionären Neuerungen die rasche Reaktion auf die Schwerkraft ermöglichten. Wie sich herausstellte, lagern sich die Sensoren der Schwerkraft – die Amyloplasten ausschließlich bei den Nacktsamern und den Blütenpflanzen am untersten Ende der Wurzelspitze an. Bei den evolutionär älteren Pflanzen liegen die Amyloplasten hingegen mehr oder weniger zufällig im Wurzelgewebe verteilt vor und erfüllen dadurch eine weniger effektive sensorische Funktion als bei den modernen Samenpflanzen. Das Team konnte zudem in der Modellpflanze Arabidopsis thaliana ein bisher unbekanntes Transportermolekül namens PIN2 identifizieren, das offenbar den Auxinfluss bei den höher entwickelten Pflanzen steuert und damit das Wurzelwachstum in die Wege leitet.

Die Wissenschaftler gewannen somit wichtige Einblicke in die Evolution des Phänomens des Wurzelgravitropismus und damit in einen der zentralen Anpassungsprozesse der Samenpflanzen an das Leben an Land. Wie sie betonen, könnten ihre Ergebnisse auch praktische Anwendungsmöglichkeiten bieten: „Durch Einblicke in die Systeme, die es Pflanzen ermöglichen, sich fest im Boden zu verankern und an Wasser und Nährstoffe zu gelangen, können wir eines Tages vielleicht Methoden entwickeln, um zum Beispiel den Anbau von Nutzpflanzen auf sehr trockenen Böden zu erleichtern“, sagt Zhang.

Quelle: Institute of Science and Technology Austria, Fachartikel: Nature Communications. doi:10.1038/s41467-019-11471-8

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