Die einen entwickeln Zutraulichkeit – andere reagieren hingegen stets „fuchsteufelswild“ auf Menschen: Bei Füchsen ist die Zahmheit eine Veranlagungssache, wie eine langjährige Zucht-Studie bereits klar gezeigt hat. Einblicke in die genetischen Grundlagen dieser Verhaltensweisen gewährt nun die Sequenzierung des Fuchs-Genoms sowie der Erbanlagen von Tieren aus sanften beziehungsweise aggressiven Zuchtlinien. Neben Informationen über Faktoren, welche die Domestikation von Tieren beeinflusst haben, könnten die Untersuchungen auch Licht auf Verhaltens-Veranlagungen beim Menschen werfen, sagen die Forscher.
Die Grundlage der Studie bildete ein berühmtes Projekt der Biologie, das bereits seit 60 Jahren von der Russischen Akademie der Wissenschaften in Novosibirsk durchgeführt wird: Forscher haben dort im Lauf der Jahre spezielle Zuchtlinien des Rotfuches (Vulpes vulpes) entwickelt, um Verhaltens-Veranlagungen zu untersuchen, sowie den Prozess der Domestikation des Wolfes zum modernen Hund. Für eine der Linien wurden stets die zahmsten Tiere ausgewählt, für die andere hingegen die scheuesten beziehungsweise aggressivsten Individuen.
Forscher machen sich im Fuchs-Genom schlau
Bei der Suche nach Genen, die mit diesen unterschiedlichen Veranlagungen verknüpft sind, war das internationale Forscherteam um Anna Kukekova von der University of Illinois in Urbana-Champaign bisher allerdings eingeschränkt: „Wir haben bereits versucht, genetische Faktoren zu identifizieren, die für zahmes beziehungsweise aggressives Verhalten verantwortlich sind, aber diese Studien benötigten ein Referenzgenom und alles, was wir nutzen konnten, war bislang das Hunde-Genom“, sagt die Wissenschaftlerin. Nun liegt jedoch die genetische Sequenz des spitzgesichtigen Verwandten des Wolfes vor und nicht nur das: Die Forscher sequenzierten auch das Erbgut von Füchsen aus der zahmen sowie der aggressiven Zuchtline, um genetische Vergleiche durchführen zu können.
Wie Kukekova und ihre Kollegen berichten, stießen sie bei ihren Analysen auf 103 genomische Regionen, die mit dem zahmen beziehungsweise aggressiven Verhalten zusammenzuhängen scheinen. „Wir konnten nun zum ersten Mal nicht nur einen Teil eines Chromosoms lokalisieren, der Füchse zahm oder aggressiv macht, sondern auch spezifische Gene, die dabei einen Rolle spielen“, sagt Kukekova.
Besondere Aufmerksamkeit haben die Forscher bisher der Erbanlage mit der Bezeichnung SorCS1 gewidmet. Bisher wusste man von diesem Gen, dass es an der Bildung der Nervenenden – der Synapsen – beteiligt ist. Eine Funktion im Rahmen des Sozialverhaltens war bislang hingegen nicht bekannt. In den Untersuchungen der Forscher zeichnet sich nun aber klar ab, dass bestimmte Versionen von SorCS1 mit sehr spezifischen Verhaltensweisen bei Füchsen assoziiert sind. „Wir denken, dass eine bestimmte Version dieses Gens bei Füchsen zur Entwicklung eines zutraulichen Verhaltens beiträgt. Generell gilt aber: Zahmheit ist nicht mit einem einzelnen Gen verbunden. Das System ist definitiv komplex“, betont Kukekova.
Interessante Bezüge zum Menschen
Das Team verglich die 103 genomischen Regionen im Rahmen der Studie auch mit den entsprechenden Versionen bei anderen Säugetierarten, deren Genom ebenfalls sequenziert vorliegt. Wie sie berichten, stießen sie dabei auf einige interessante Gemeinsamkeiten. Sie identifizierten beispielsweise Übereinstimmungen zwischen Verhaltensregionen bei Füchsen mit Sequenzen, von denen bereits bekannt ist, dass sie bei der Domestikation von Hunden eine Rolle gespielt haben.
Auch der Kreis zum Menschen schließt sich, berichten die Wissenschaftler: Sie entdeckten bei den Füchsen eine auffällige genetische Region, deren menschliches Pendant mit dem sogenannten Williams-Beuren-Syndrom assoziiert ist. Dabei handelt es sich um eine genetische Störung, die mit extrem aufgeschlossenem, freundlichen Verhalten verknüpft ist. Allerdings zeigt sich in diesem Fall, wie komplex und bisher wenig verstanden die Verbindungen von Genetik und Verhalten sind, betonen die Forscher: „Seltsamerweise fanden wir die Williams-Beuren-Region in aggressiven Füchsen, nicht bei den zahmen. Man hätte eigentlich das Gegenteil erwarten können“, sagt Kukekova. Der mysteriöse Befund unterstreicht ihr zufolge, dass nun noch viel Forschung nötig ist, um mehr Licht in dieses besondere Feld der Genetik zu bringen.
Quelle: University of Illinois, Nature Ecology & Evolution, doi: 10.1038/s41559-018-0611-6