Das von Stechmücken übertragene Zika-Virus breitet sich immer weiter aus. Seit Oktober 2015 werden vor allem in Mittel- und Südamerika vermehrt Erkrankungen gemeldet. Mittlerweile gibt es Zika-Fälle in 33 Ländern. Auch nach Europa und in die USA haben Reisende das Virus schon eingeschleppt. Für die meisten Betroffenen ist die Infektion harmlos, sie löst nur leichte, grippeähnliche Symptome aus oder verläuft sogar völlig ohne spürbare Folgen. Doch das Virus steht im Verdacht, bei Schwangeren das Ungeborene zu schädigen. Tausende Missbildungen des Gehirns bei Neugeborenen werden allein in Brasilien mit Zika in Verbindung gebracht – insbesondere Fälle einer sogenannten Mikrozephalie, bei der Föten oder Babys einen zu kleinen Kopf und ein zu kleines Hirnvolumen aufweisen. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass das Zika-Virus Augenschäden und das Guillain-Barré Syndrom auslösen kann. Die Weltgesundheitsbehörde WHO erklärte die Zika-Epidemie zu einem “besorgniserregenden Notfall der globalen öffentlichen Gesundheit”.
Angesichts der zunehmenden Ausweitung der Zika-Epidemie und den Folgen suchen Wissenschaftler weltweit nach Gegenmitteln und einem Impfstoff gegen das Virus. Doch bisher fehlte dafür eine entscheidende Voraussetzung: die Entschlüsselung der genauen Struktur des Zika-Virus. Einer der Gründe dafür: Die gängige Methode zur Strukturanalyse funktioniert bei diesem Virus kaum. “Seit den 1960er Jahren ist die Röntgen-Kristallografie die Standardmethode, um die Struktur von Viren zu bestimmen”, erklärt Michael Rossmann von der Purdue University in West Lafayette. “Aber sie erfordert eine relativ große Menge des Virus, benötigt viel Zeit und funktioniert bei Viren mit einer Lipidmembran wie dem Zika-Virus nicht immer, weil sie nur schwer kristallisieren.” Doch den Forschern der Purdue University ist es gemeinsam mit Kollegen von den US National Institutes of Health gelungen, dieses Problem zu lösen, indem sie die Struktur des Zika-Virus mit einer Alternativmethode sichtbar machten, der Cryo- Elektronenmikroskopie. Dabei wird eine gereinigte Virenprobe quasi gefriergetrocknet und per Elektronenmikroskop analysiert.
Potenzielle Ansatzstellen für antivirale Mittel
Erstmals ist es so gelungen, die Feinstruktur des Zika-Virus und seiner Proteinhülle sichtbar zu machen. Die Analyse zeigt, dass dieses Virus in vielen Merkmalen anderen eng verwandten Flaviviren wie dem Dengue-Virus ähnelt. Wie sie besitzt es ein RNA-Genom, das von einer Lipidmembran umgeben ist. Diese wird von einer ikosaedrischen Hülle aus Proteinen geschützt. Vor allem diese Proteinhülle und die in sie eingelagerten Zuckermoleküle sind es, die das Verhalten des Virus und seine infektiösen Eigenschaften bestimmen. An einigen Stellen der Proteinhülle entdeckten die Forscher entscheidende Unterschiede des Zika-Virus zu anderen Flaviviren. Demnach gibt es an den zuckerhaltigen Bindungsstellen des Zika-Virus ein Protein, bei dem rund zehn Aminosäuren anders sind als beispielsweise beim eng verwandten Dengue-Virus.
Die Entschlüsselung der Zika-Struktur liefert damit wertvolle Hinweise darauf, wo ein Gegenmittel oder ein künftiger Impfstoff ansetzen könnte. “Wenn diese Stellen ähnlich funktionieren wie bei Dengue und für die Bindung an die menschlichen Zellen verantwortlich sind, dann könnte das eine gute Ansatzstelle für ein antivirales Mittel sein”, sagt Rossmann. Wie er und seine Kollegen erklären, könnte man dann gezielt einen Hemmstoff entwickeln, der diese Stellen blockiert und so das Eindringen des Virus in die Zellen verhindert. “Die Entschlüsselung der Struktur des Zika-Virus bringt unser Wissen über diesen Erreger weit voran – denn es handelt sich um ein Virus, von dem bisher kaum etwas bekannt ist”, konstatiert Seniorautor Richard Kuhn von der Purdue University.