Vom Amazonas über die Flüsse Afrikas bis hin zu trüben Meeresgewässern – in unterschiedlichen Lebensräumen haben sich Fische die Effekte der Elektrizität zu Nutze gemacht: Spannungsfelder und Stromstöße helfen den Tieren beim Beutefang, der Verteidigung, Navigation und Kommunikation. Abgewandelte Muskelzellen unter der Haut, die sogenannten Elektrozyten, erzeugen bei ihnen die Elektrizität. Einige Vertreter dieser sogenannten Elektrofische erreichen dabei beachtliche Spannungen. Doch der unangefochtene König der Biovoltaik-Gemeinde ist zweifellos der Zitteraal (Electrophorus electricus), der sich durch die trüben Gewässer des Amazonas schlängelt.
Die bis zu 2,8 Meter langen Fische können 600 Volt Spannung erzeugen und Strom von 0,83 Ampere. Damit paralysieren sie ihre Beute und verteidigen sich bei Bedarf buchstäblich schlagartig. Die Stromstöße können sogar größeren Tieren und auch dem Menschen gefährlich werden. Der US-Biologe Kenneth Catania von der Vanderbilt University in Nashville hat nun die bizarren Fische erneut genau untersucht, denn zu den Details ihrer spannenden Strategien gibt es immer noch viele offene Fragen. Aquarien, hungrige Zitteraale, Beutetiere und elektronische Messgeräte waren die Zutaten der Studie des Forschers. Um die Stromstöße der Tiere prägnant erfassen zu können, wandelte Catania sie in Töne um – wie und wann die Alle feuerten, wurde also hörbar.
Verräterisches Zucken
Seine Ergebnisse belegen, dass der Zitteraal ein deutlich raffinierteres elektrisches Repertoire besitzt als bisher bekannt. Er nutzt sein Potenzial demnach nicht nur schlagartig, um seine Opfer zu lähmen oder zu töten, sondern er gibt auch sachtere Doppel-Impulse ab. Sie erzeugen bei versteckten Fischen in seinem Umfeld gezielt Zuckbewegungen, berichtet der Forscher. Die entstehenden Druckwellen kann der Aal wiederum sehr feinsinnig lokalisieren. Damit ihm ein anvisierter Fisch dann nicht entwischt, setzt der Zitteraal Hochspannung ein: Die Stromstöße, die er nun durch das Nervensystem des Opfers schickt, wirken lähmend, so dass die Beute dem Maul des Aals nicht mehr entkommen kann.
Catania untersuchte auch detailliert die Eigenschaften und Effekte der Stromstöße, die zum Zucken und der Paralyse führen. Er konnte dabei zeigen, dass sie in den Nerven der Beutetiere Reaktionen auslösen, die deren natürlichen Steuer-Impulsen zur Muskelbewegung gleichen. Im Fall des Paralyse-Stromstoßes vermitteln sie die Botschaft: Bewegungslosigkeit. Das elektrische Repertoire der Zitteraale ist raffiniert auf ihre Opfer eingestellt, resümiert Catania. Ihr Konzept entspricht also nicht nur einem simplen „Erschlagen“ der Beute. Es handelt sich um eine ausgeklügelte Technik zur Fern-Manipulation des Nervensystems, so der Biologe.