Bereits in früheren Studien gab es jedoch Hinweise darauf, dass Steroidhormone wie Testosteron und Östrogene eine Rolle spielen könnten. So steigt die Produktion dieser Geschlechtshormone beispielsweise nach der Geburt in den ersten fünf Monaten stark an, und in diesem Zeitraum ist auch das Risiko für plötzlichen Kindstod am höchsten. Um diesen Zusammenhang genauer zu untersuchen, analysierten Emery und seine Kollegen Blutproben von insgesamt 169 toten Kindern, von denen 127 am plötzlichen Kindstod und 42 an anderen Ursachen gestorben waren. Das Ergebnis: Im Schnitt waren die Testosteronspiegel bei den am plötzlichen Kindstod verstorbenen Jungen um mehr als das Doppelte und bei den Mädchen um etwa die Hälfte erhöht. Die Östrogenwerte unterschieden sich dagegen nicht eindeutig.
Testosteron hat einen direkten Einfluss auf die Funktion und die Architektur der Nervenverbindungen im Gehirn, schreiben die Forscher. Möglicherweise verändern die erhöhten Hormonspiegel bei den Kindern daher die Empfindlichkeit der Nervenzellen, die Schlüsselrollen bei der Kontrolle von Atemrhythmus und Herzfrequenz spielen. Diese Vermutung werde auch dadurch bestätigt, dass eine künstliche Erhöhung des Testosteronspiegels bei Erwachsenen ebenfalls die Atmung während des Schlafs beeinträchtigt. Die Wissenschaftler wollen nun in größeren Studien prüfen, ob das Messen des Testosteronspiegels bei Kleinkindern dabei helfen könnte, das Risiko für den plötzlichen Kindstod abzuschätzen.