Es war die bislang größte Chemie-Katastrophe in Europa: Am 10. Juli 1976 trat in der zur Firma Hoffmann-La Roche gehörenden Fabrik Icmesa unweit der norditalienischen Gemeinde Seveso eine unbekannte Menge des hochgiftigen Dioxins TCDD aus. Die Ursache war eine Explosion bei der Herstellung von Desinfektionsmitteln. Menschliches Versagen hatte einen schnellen Druck- und Temperaturanstieg in der Produktionsanlage zur Folge, der sich über ein Sicherheitsventil entlud. Erst nach einer Stunde war die Situation unter Kontrolle, doch bis dahin waren schon 1800 Hektar Land durch das Dioxin verseucht.
Bereits wenige Tage nach der Explosion tauchten erste Fälle von Hauterkrankungen in den umliegenden Krankenhäusern auf. Da die Werksleitung die Freisetzung des Gifts vertuschte, standen die Ärzte vor einem Rätsel. Es wurde lediglich geraten, kein aus der Umgebung stammendes Obst und Gemüse zu essen. Im Umkreis von Seveso fanden sich bald Tausende von Tierkadavern; Gras und Blätter in der Nähe der Fabrik verdorrten. Erst sieben Tage später räumte die Firmenleitung den Unfall ein. Neun Tage nach dem Unglück evakuierte das Militär die ersten 208 Ortsansässigen; insgesamt aber waren 37 000 Menschen betroffen. Langfristig zeigte sich in der Bevölkerung ein sehr hoher Anstieg an Krebserkrankungen. Als Folge der Katastrophe von Seveso erließ die Europäische Union die „Seveso-Richtlinie“ zur künftigen Vermeidung von Betriebsunfällen und zur Begrenzung von Unfallfolgen.