Im Rennen um einen Platz an der Sonne wollte Frankreich den anderen Kolonialmächten gegenüber nicht ins Hintertreffen geraten. Gewaltsame Übergriffe aus dem tunesischen Osten auf den Norden Algeriens, damals französisches Kolonialgebiet, boten dem französischen Ministerpräsidenten und Kolonialpolitiker Jules Ferry den Vorwand, sich endlich Tunesien einzuverleiben. Schließlich – hatte man Frankreich auf dem Berliner Kongress von 1878 nicht Tunesien bereits in die Hand versprochen? Nun war die Gelegenheit gekommen.
Am 12. Mai 1881 unterzeichnete Mohammed III. al-Husain als Bey (Statthalter) von Tunesien den Vertrag von Bardo, so benannt nach einem Vorort von Tunis. Vor-ausgegangen war eine dreiwöchige Mili-tärexpedition der Franzosen, die auf keinen nennenswerten Widerstand stieß und an deren Ende die Eroberung von Tunis stand. Der Bey war in höchster Bedrängnis, er musste klein beigeben. Im Vertrag von Bardo wurde Frankreich die Kontrolle über tunesisches Gebiet übertragen, damit es, so der Vertragstext, gegen die innenpolitischen Gegner des Beys vorgehen und wieder Ruhe und Ordnung im Land herstellen könne. Gleichzeitig übernahm Frankreich die außenpolitische Entscheidungsgewalt. Immer mehr Befugnisse errang Frankreich nach und nach vom ehemals recht autonomen Tunesien. Am Ende stand 1883 das französische Protektorat Tunesien. Erst
75 Jahre danach, 1956, wurde Tunesien unabhängig.