Wasser in der Milch, Arsen in Pfefferminzbonbons oder Sägemehl in den Buletten – die Lebensmittelpanscherei kannte kaum Grenzen. Durch die Verstädterung im 19. Jahrhundert wurde der Lebensmittelmarkt anonymer und lud daher noch mehr zu Betrug ein. Hinzu kam die entstehende Nahrungsmittelindustrie, durch die der Weg der Produkte auf den Markt immer länger wurde. Kontrollen gab es kaum, wie die hohe Säuglingssterblichkeit unter anderem aufgrund mangelnder Milchhygiene in der städtischen Unterschicht belegt. Die Bevölkerung war der Geschäftemacherei mit gestreckten oder verunreinigten Lebensmitteln schutzlos ausgeliefert.
Im deutschen Kaiserreich schuf das am 14. Mai 1879 verkündete „Gesetz, betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genussmitteln und Gebrauchsgegenständen“ erstmals ein reichsweites Lebensmittelrecht. Die Polizei hatte fortan die Befugnis zur Lebensmittelaufsicht. Sie konnte gegen eine Entschädigung Warenproben zu Kontrollzwecken entnehmen. Bei Zuwiderhandlung gegen die „Unverfälschtheit“ oder gar bei Gesundheitsgefährdung drohten schwere Strafen. Während bei einer fahrlässigen Täuschung oder Verfälschung ein Bußgeld in Höhe von 150 Mark verhängt werden konnte, sah das Gesetz im Fall einer vorsätzlichen Gesundheitsgefährdung sogar mehrjährige Gefängnisstrafen vor. Gleichzeitig wurde die Ausbildung von Nahrungsmittelchemikern gefördert, damit diese die speziellen Kontrollen übernehmen konnten.