Der Maler Rembrandt van Rijn war 25 Jahre alt und lebte seit etwa einem Jahr in Amsterdam, als er Anfang 1632 den Auftrag erhielt, ein Porträt der Amsterdamer Gilde der Bader und Chirurgen anzufertigen. Sein Auftraggeber war der Chirurg und Anatom Dr. Nicolaes Tulp, der jeweils in den Wintermonaten eine gut besuchte öffentliche Vorführung zur menschlichen Anatomie veranstaltete – anhand von Leichen verurteilter Verbrecher. Die Vorlesungen waren ein gesellschaftliches Ereignis, für das Fachkollegen und schaulustige Laien gehobenen Standes gleichermaßen Eintritt bezahlten. Und während man sich vorn der Anatomie widmete, wurde auf den Rängen des anatomischen Theaters oftmals gespeist und musiziert.
Am 16. Januar 1632 war auch der junge Rembrandt zu Gast in Tulps Vorlesung. Sein im selben Jahr vollendetes Gemälde „Die anatomische Vorlesung des Dr. Tulp“ fängt den Moment ein, in dem sich die Mitglieder der Chirurgengilde über den wächsernen Leichnam eines Mannes, möglicherweise des Straßenräubers Adriaan Adriaanszoon, beugen und gebannt Nicolaes Tulps Erläuterungen zur präparierten Muskulatur des linken Armes lauschen. Vor ihnen aufgeschlagen liegt ein Lehrwerk der Anatomie. Ein solches mit dem Holzschnitt „Andreas Vesalius als Anatom von Arm und Hand“ diente Rembrandt wohl als Vorlage für die anatomische Darstellung der Muskulatur der linken Hand, an deren Korrektheit Mediziner Zweifel anmelden.