Schlicht nimmt sich die Urkunde aus, mit der Kaiser Otto IV. am 20. März 1212 auf einem Hoftag in Frankfurt die Gründung des Augustinerchorherrenstifts St. Thomas in Leipzig mit Hospital und angeschlossenen Besitzungen rechtlich fixierte. Gründer war sein Verwandter, Markgraf Dietrich von Meißen. Obwohl in der Urkunde keine Rede von einer Schule ist, kann man doch annehmen, dass dort, wie gemeinhin üblich, eine Klosterschule zur Ausbildung des geistlichen Nachwuchses eingerichtet wurde. Dieser wurde auch als Chor für die Begleitung der Liturgie gebraucht. Die urkundliche Bestätigung durch Otto IV. gilt daher als Geburtsstunde des Leipziger Thomanerchors.
Quellen belegen, dass die im Stift St. Thomas untergebrachten Knaben im Lauf der Zeit nicht nur dort, sondern auch in anderen Leipziger Kirchen sowie zu Festgottesdiensten der Stadt musikalische Dienste verrichteten. Daran änderte sich auch mit der Reformation, durch die Thomasstift und -schule mit allen Besitzungen an die Stadt Leipzig fielen, nichts. Im Gegenteil: Die Chorschüler wurden immer mehr zur festen kulturellen Einrichtung. Bis heute sind sie untrennbar vor allem mit dem Werk ihres berühmtesten Kantors, Johann Sebastian Bach, verbunden, doch ihr Repertoire geht weit darüber hinaus. Johannes Brahms übrigens lehnte eine Berufung zum Thomaskantor ab – offenbar fürchtete er in Leipzig eine zu strenge Kontrolle seines Lebenswandels.