Im August 1966 tagte der Jüdische Weltkongress in Brüssel. Der 4. August brachte dabei eine bedeutsame Neuerung: Erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs sprach ein deutscher Politiker zu den jüdischen Delegierten. Das Präsidium hatte sich dazu entschlossen, Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier einzuladen. Das Thema des Panels lautete „Deutsche und Juden – ein ungelöstes Problem“. Diese Entscheidung war innerhalb der jüdischen Gemeinschaft umstritten gewesen. Nicht wenige Delegierte hatten gegen die Einladung votiert und blieben der Plenartagung fern. Vielen war der von Deutschen begangene Völkermord an über sechs Millionen Jüdinnen und Juden in Europa durch eigenes Erleben zu schmerzhaft in Erinnerung. Zudem galten in Deutschland Antisemitismus und Neonazismus als nach wie vor ungelöste Probleme. Das Präsidium des Jüdischen Weltkongresses aber hatte sich gegen diese Widerstände durchgesetzt.
Die Initiatoren erhofften sich, dass Deutsche und Juden von der Debatte profitierten. Neben Gerstenmaier sprachen unter anderen der Historiker Golo Mann und der Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland Hendrik George van Dam. Alle Redner beschworen die „Gemeinsamkeiten des Geistes“, die es trotz aller historischen Verwerfungen gebe. Dennoch habe die Diskussion auch gezeigt, so der Schriftsteller Jean Améry, dass die Zeit für ein wirkliches Gespräch, über einen bloßen Meinungstausch hinaus, noch nicht gekommen sei.