Der radikale englische Kirchenreformer John Wyclif hatte sich bereits im 14. Jahrhundert für eine volkssprachliche Übersetzung der Bibel eingesetzt, doch noch 150 Jahre später war dies gefährlich. Der Humanist William Tyndale riskierte es trotzdem, jedoch im Ausland: 1526 erschien in Worms das erste gedruckte Neue Testament in modernem Englisch; im kleinen Oktavformat, so dass es sich leicht verbergen ließ. Denn Tyndales Werk, das reformatorische Einflüsse verriet, war von der englischen Krone nicht autorisiert. Aufgefundene Exemplare wurden sofort verbrannt; nur zwei von ihnen sind bis heute erhalten. Ein anderer trat in Tyndales Fußstapfen: Miles Coverdale hatte in England die Schriften Martin Luthers kennengelernt und sich der Reformation angeschlossen. In Antwerpen vervollständigte er Tyndales Arbeit.
Am 4. Oktober 1535 wurde dort die „Coverdale-Bibel“, die erste vollständige englischsprachige Bibel, gedruckt. Wenngleich Coverdale Tyndales Übersetzung des Neuen und von Teilen des Alten Testaments übernahm, wird dessen Name in der Ausgabe nicht erwähnt: Tyndale war mittlerweile von König Heinrich VIII. als Ketzer zum Tod verurteilt worden. Einem Werk, das mit seinem Namen in Verbindung stand, hätte der König niemals seine Gunst gewährt. Am 6. Oktober 1536 wurde William Tyndale hingerichtet. Doch schon bald änderten sich die Verhältnisse in England im Zuge der Loslösung von Rom: Bereits 1537 wurden weitere Ausgaben der „Coverdale-Bibel“ gedruckt, und zwar, nun erstmals legal, in England.