Auch in Rom galten Regeln, die eine Heirat zwischen nahen Verwandten ausschlossen – gesellschaftliche und rechtliche. Doch das Jahr 49 zeigte deutlich, wie schnell sich solche Regeln ändern ließen. Nachdem Kaiserin Messalina wegen Hochverrats hingerichtet worden war, suchte Kaiser Claudius nach einer Nachfolgerin. Oder vielmehr, wenn wir den Quellen glauben wollen, waren es seine einflussreichen Sekretäre, freigelassene Sklaven, die eine neue Kaiserin wünschten. Jeder der drei Sekretäre unterstützte eine andere Dame, jeder machte sich Hoffnungen auf eine Verbündete bei Hof und hatte andere Argumente. Am Ende setzte sich der Berater Pallas durch, der Claudius’ Nichte Agrippina favorisierte.
Die sehr attraktive Frau, Anfang 30 und damit 25 Jahre jünger als der Aspirant Claudius, war nicht nur eine der nächsten Verwandten des einstigen Dynastiebegründers Augustus, sondern auch auf der Suche nach einem neuen Ehemann. Ihr letzter war wohl kurz zuvor gestorben, und wer hätte besser zu ihr gepasst als der Kaiser selbst? Der war allerdings auch ihr Onkel – und damit war eine Ehe eigentlich tabu. Schnell fand sich jedoch ein williger Helfer, der im Senat den Antrag einbrachte, dass künftig Onkel und Nichte (nicht aber Neffe und Tante!) heiraten dürften. Allen war klar, worauf die Regelung abzielte, und zahlreiche Senatoren drängten den Kaiser förmlich, seine junge Nichte zu ehelichen. Claudius kam diesem Ansinnen wohl nur zu gern nach – und legte sich und seinem leiblichen Sohn Britannicus mit Agrippinas Sohn aus erster Ehe ein „Kuckucksei“ ins Nest – Nero.