Jetzt ganz leise! Niemand sollte die Flucht der Familie aus Paris bemerken, niemand sie einholen oder ihre Identität erkennen, ehe sie in Montmédy nahe der Grenze zu Luxemburg waren. Den Sohn in Mädchenkleider gesteckt und sich selbst als Kammerdiener und Gouvernante verkleidet, stahlen sich König Ludwig XVI. von Frankreich und seine Gemahlin Marie Antoinette aus dem Palast in den Tuilerien, wo sie faktisch Gefangene der Nationalversammlung waren. In einer Kutsche passierten sie in der Nacht des 20. auf den 21. Juni 1791 unbehelligt die Stadttore von Paris. Doch dann kam es immer wieder zu Verzögerungen und Pannen: Kutschenwechsel, ein stürzendes Gespann, gerissene Zügel. Und während man in Paris die Flucht der Königsfamilie mittlerweile bemerkt und eine großangelegte Suche nach ihr in die Wege geleitet hatte, erkannten auch immer mehr Bauern und Postmeister, wer da an ihnen vorbeifuhr oder die Pferde wechseln ließ.
Ein solcher Postmeister namens Drouet ritt dem Gefährt des Königs bis nach Varennes nach und schlug dort Alarm: In dem kleinen Städtchen flog die Maskerade schließlich auf, Ludwig XVI. musste sich zu erkennen geben. Am Morgen des 22. Juni trat er mit seiner Familie die Rückreise an. Als die Kutsche in Paris einfuhr, wurde sie von einer riesigen Menschenmenge erwartet – totenstill. Der Plan, aus dem sicheren habsburgischen Ausland das Königtum in Frankreich wiedererstarken zu lassen, war gescheitert: Ludwig XVI. musste die neue Verfassung anerkennen.