Große Aufregung herrschte am Bonner Rheinufer. Selbst die Abgeordneten des Bundestags hielt es nicht mehr auf ihren Plätzen. Was weder politische Skandale, strittige Gesetze noch spektakuläre Rücktritte zustande brachten, schaffte ein fünf Meter langer Beluga-Wal, der am 13. Juni 1966 im Rhein vor dem Bundeshaus auftauchte. Der ungewöhnliche Staatsbesuch traf indes nicht völlig unerwartet ein. Die Medien hatten seit mehreren Wochen täglich über den liebevoll auf den Namen „Moby Dick“ getauften Wal berichtet.
Offenbar war das Tier bei seiner Überführung in einen englischen Zoo im stürmischen Atlantik von Bord eines Frachters gespült worden und hatte sich aus unbekannten Umständen in den Rhein verirrt. Auf seiner Odyssee zwischen Ijsselmeer und Koblenz beobachtete nun eine ganze Nation mit Spannung, ob die Rückkehr in die rettende Nordsee gelingen würde. Bis dahin musste der Wal einige Gefahren bestehen. Massive Proteste provozierte etwa der Duisburger Zoodirektor, der sich des Wals mit eher rauhen Methoden bemächtigen wollte. Zwar fand das inzwischen abgemagerte und von der Rheinbrühe deutlich gezeichnete Tier in die Nordsee zurück, doch einige Wochen später berichteten Zeitungen von einem in Schweden angespülten Walkadaver, bei dem es sich wohl um „Moby Dick“ gehandelt hat. Über die Berichterstattung wurde zudem einer breiten Masse erstmals bewusst, wie gravierend „Vater Rhein“ durch Industrieanlagen verschmutzt war. Nicht wenigen gilt heute „Moby Dick“ als Anlass für die Entstehung der Umweltbewegung in Deutschland.