Es sei ja auch nicht üblich, einen unverheirateten Mann als „Herrlein“ anzusprechen, so begründete die Schriftstellerin Franziska Essenther bereits 1871 ihre Forderung, die Verniedlichungsform „Fräulein“ nicht mehr zu gebrauchen und zu der einheitlichen Anrede „Frau“ überzugehen. Die Frau strebe nach einer vom Mann unabhängigen Geltung, so Essenther weiter, und dürfe nicht von vornherein für die Gesellschaft als vermählt oder unvermählt klassifiziert werden. Es dauerte trotzdem noch 100 Jahre, bis von offizieller Seite die beharrliche Forderung der Frauenbewegung Gehör fand.
Am 16. Februar 1971 ordnete der damalige Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher an, dass im behördlichen Sprachgebrauch jede weibliche Erwachsene, ob verheiratet oder unverheiratet, mit „Frau“ statt mit „Fräulein“ anzureden sei. Dies war zwar nicht die erste amtliche Sprachregelung – ein Erlass des preußischen Innenministers geht sogar auf das Jahr 1919 zurück, und 1955 wies das Innenministerium des Bundes ebenfalls auf die Anrede Frau hin. Dies sei jedoch nur dann erforderlich, wenn die Frau es so wünsche. 1971 wurde nun zum ersten Mal diese Wunschklausel fallengelassen und die Anrede in Amtsgeschäften verbindlich vorgeschrieben. Doch obwohl die Frauenbewegung in den 70er Jahren immer mehr an Boden gewann, setzte sich die neue Anrede nur langsam in anderen Bereichen durch. Umfragen zufolge wollten noch Anfang der 80er Jahre über die Hälfte der ledigen Frauen mit „Fräulein“ angesprochen werden.