„Ach, lieber Gott, gib, dass sie nicht uns aus der Wohnung jagen“, so dichtete 1923 Joachim Ringelnatz in seinem „Angstgebet in Wohnungsnot“. Die Ängste, die den Dichter umtrieben, teilte er mit vielen seiner Mitbürger. In den Jahren 1922 und 1923 fehlten reichsweit schätzungsweise eine Million Wohnungen auf dem Mietmarkt. In dieser Notsituation konnte eine kurzfristige Kündigung leicht gravierende Folgen haben. Obdachlosigkeit konnte jeden treffen, da die Hauseigentümer frei über die Kündigung entschieden. Der Ruf nach einer staatlich geregelten Wohnungspolitik, wie sie bereits in Form von Notgesetzen im Ersten Weltkrieg begonnen hatte, wurde immer lauter.
Bereits im Kaiserreich waren Mietervereine als Reaktion auf die Hausbesitzerverbände gegründet worden. Sie entwickelten sich in den 20er Jahren zu einer mitgliederstarken Bewegung. Ihren Forderungen wurde mit einer Reihe von Gesetzen entsprochen, darunter das Mieterschutzgesetz vom 1. Juni 1923. Dieses führte für die Beendigung von Mietverhältnissen die Aufhebungsklage ein, über welche die Amtsgerichte zu entscheiden hatten. Für eine rechtskräftige Kündigung mussten nun bestimmte Gründe vorliegen, wie die Vernachlässigung der Wohnung oder Zahlungsverzug. Das Gesetz vom Juni 1923 war jedoch nur ein erster Schritt zu einem einheitlichen Mieterschutz: Es bezog sich lediglich auf Altbauten, die vor dem 1. Juli 1918 bezugsfertig waren.