Welche Kunst sollte Deutschland in der Welt repräsentieren? In Politik und Öffentlichkeit wurde diese Frage Anfang des 20. Jahrhunderts hitzig debattiert. Zur Weltausstellung im amerikanischen St. Louis 1904 waren auch deutsche Künstler eingeladen worden. Kurz zuvor hatte Kaiser Wilhelm II. indes ein Machtwort gesprochen: Die Berliner Secession, eine von Max Liebermann 1898 gegründete Künstlervereinigung, war von der Teilnahme ausgeschlossen. Der Kaiser machte aus seiner Abneigung gegenüber dieser modernen Kunst keinen Hehl. Im Dezember 1901, bei der Einweihung der Siegesallee mit ihren 32 historistischen Skulpturengruppen, sprach er vom Auftrag des Künstlers, das Volk an Idealen emporzuheben und nicht „in den Rinnstein“ niederzusteigen und „das Elend noch scheußlicher hinzustellen, wie es schon ist“.
Es muss Wilhelm II. erstaunt haben, wie einmütig und unverhohlen in einer Reichstagsdebatte am 15. und 16. Februar 1904 die kaiserliche Kunstpolitik missbilligt wurde. „Die große, moderne internationale Bewegung“, so etwa ein Abgeordneter, ließe sich nicht kommandieren „wie ein Regiment Gardegrenadiere“. Die deutsche Kultur und Kunst solle sich im Ausland nicht als rückständig erweisen. Für eine starke deutsche Präsenz sei die Teilnahme aller Richtungen der deutschen Kunst erforderlich.
Trotzdem konnten die Parlamentarier nichts ausrichten. Im deutschen Pavillon in St. Louis, einer Nachbildung des Charlottenburger Schlosses, waren keine Gemälde der Secession zu sehen.