Dieser Triumph war nur vergleichbar mit der Mondlandung: Ein junger Bursche aus Brooklyn hatte das gesamte Establishment der Schachwelt vom Platz gefegt. Und weil dieses seit vielen Jahrzehnten ausschließlich aus Sowjets bestand, war der Sieg mehr als nur ein sportliches Ereignis. Er war ein Sieg im Kalten Krieg. Bobby Fischer war ein Ausnahmetalent. Seit er 1958 mit gerade einmal 14 Jahren erstmals auf einem Turnier für Furore sorgte, war klar, daß er die Zukunft des Schachs darstellte. Nicht nur wegen seiner Jugend – auch seine respektlose, unkonventionelle Natur stand im krassen Gegensatz zu den gediegenen, seelenruhig spielenden sowjetischen Großmeistern: Fischer spielte wie ein Berserker, benahm sich wie ein Flegel. Und machte damit aus dem behäbigen Altherrensport Schach ein Popspektakel. Der Höhepunkt war der langersehnte WM-Kampf gegen den amtierenden Weltmeister Boris Spassky im Sommer 1972. In Reykjavik griff Fischer nach der Krone – und gewann in einem nervenzermürbenden Marathon mit vier Punkten Vorsprung. Mit ihm gewann ganz Amerika. Doch Fischer ließ sich nicht vereinnahmen, sondern verschwand in der Versenkung. Zwanzig Jahre lang spielte der Wunderknabe keine einzige öffentliche Partie mehr. Und doch beherrschte er auch da noch die Wettkämpfe, denn alle vermißten ihn, der „im Alleingang demonstriert hatte, daß Schach … so kampferfüllt ist wie Fußball, so aufregend wie ein Pistolenduell, ein ästhetischer Genuß wie ein großes Kunstwerk“. Wo Fischer heute lebt, ist nicht bekannt, man vermutet ihn in Ungarn. Wahrscheinlich Schach spielend.
1. September 1972
Schachtriumph für USATeilen: