„Dieser Fund ist ein Ereignis und ein großes für die christliche Wissenschaft.“ Als der evangelische Theologe Konstantin von Tischendorf, der an der Leipziger Universität wirkte, diese begeisterten Worte an seine Frau schrieb, schien er selbst noch nicht fassen zu können, was er da in den Händen hielt: eine vollständige Abschrift des Neuen Testaments und großer Teile des Alten Testaments aus der Mitte des 4. Jahrhunderts. Er hatte die griechische Handschrift am 7. Februar 1859 in der Bibliothek des Katharinenklosters am Berg Sinai entdeckt, das er im Auftrag Zar Alexanders II. besucht hatte.
Tischendorf hatte sich bis dato bereits einen Namen gemacht. In zahlreichen Reisen hatte er die Bibliotheken Europas und des Orients besucht und dort bislang als unleserlich geltende Handschriften entziffert. Die neutestamentliche Bibelübersetzung, so seine Überzeugung, müsse sich stärker an den ältesten noch vorhandenen Textzeugnissen orientieren. Seine eigene Bibelübersetzung suchte dem Rechnung zu tragen.
Aber nicht nur Wissenschaftler interessierten sich für seine Arbeit. Seine Reiseberichte, in etlichen Zeitungen Europas abgedruckt, fanden eine große Leserschaft. Eine prachtvolle, limitierte Faksimile-Fassung, die Zar Alexander mitfinanzierte, konnte er bereits nach drei Jahren herausgeben. 1863 entstand zudem eine erschwingliche Handausgabe, welche das Manuskript einem breiten Publikum zugänglich machte.