Die französische Öffentlichkeit war wie elektrisiert: Deutsche Beamte hatten am 21. April 1887 den französischen Polizeikommissar des lothringischen Pagny-sur-Moselle, Guillaume Schnaebelé, verhaftet, nachdem er zu einer Besprechung mit seinem deutschen Kollegen über die Grenze gekommen war. Der Vorwurf lautete: Spionage! Die französische Tagespresse kolportierte Gerüchte; man stellte Fragen über Fragen: War Schnaebelé gar auf französischem Boden verhaftet worden? War-um stand ihm kein sicheres Geleit zu, wenn ihn doch der deutsche Polizeikommissar eingeladen hatte? Wird dieser diplomatische Vorfall wohlmöglich den nächsten Krieg gegen Deutschland auslösen?
Der französische Kriegsminister Georges Boulanger trug das Seine dazu bei, die Kriegsstimmung noch weiter zu schüren. Er schlug vor, den Deutschen ein Ultimatum zu senden und den Botschafter aus Berlin zurückzubeordern. Einen Kriegsplan hatte Boulanger bereits ausgearbeitet: 50 000 französische Soldaten stünden angeblich zum Marsch an die deutsche Grenze bereit. „Général Revanche“, wie der Volksmund Boulanger nannte, rief unermüdlich die Franzosen dazu auf, die schmachvolle Niederlage von 1871 zu rächen.
Der französische Staatspräsident Jules Grévy und sein Außenminister Émile Flourens jedoch behielten einen kühlen Kopf. Sie schickten lediglich eine Aufforderung nach Berlin, den Vorfall zu erklären. Reichskanzler Otto von Bismarck reagierte prompt: Am 29. April konnte Guillaume Schnaebelé als freier Mann in seine Heimat zurückkehren.