Eine gespenstische Szene stand am Beginn des Prozesses gegen den damals 88jährigen Marschall Henri Philippe Pétain: Als der Angeklagte den Pariser Gerichtssaal betrat, wirk-te die Erscheinung des schon zum Mythos gewordenen „Siegers von Verdun“ auf alle Anwesenden – ob Freund oder Feind – so imposant, daß sich alle wie hypnotisiert von ihren Stühlen erhoben.
Genau von diesem Bann wollte sich Frankreich mit den Prozessen gegen Pétain und andere führende Vichy-Politiker lösen, den bösen Geist der Kollaboration austreiben. Denn während der eine Teil Frankreichs von Deutschen besetzt wurde und Charles de Gaulle in London zur Fortsetzung des Kampfes gegen Hitler aufrief, war das Vichy-Frankreich des Staatschefs Pétain von 1940 bis 1944 die nicht besetzte Zone gewesen. Erkauft worden war diese trügerische Freiheit durch Kollaboration und Mittäterschaft an Hitlers Greueltaten: Pétain hatte die Juden Frankreichs den Nazis überlassen. Pétains Verteidigung – er habe ein doppeltes Spiel betrieben, um Hitler zu täuschen – verfing nicht: Die Geschworenen des Sondergerichts verurteilten ihn am 14. August 1945 zum Tod. Während jedoch die Strafe für den „Vater der Nation“ in eine lebenslange Haft umgewandelt wurde, wurde der zweite Protagonist Vichys, der Ministerpräsident Pierre Laval, am 15. Oktober 1945 hingerichtet.
Petain verbüßte die lebenslange Festungshaft auf der Insel Yeu, wo er 1951 im Alter von 95 Jahren starb.