Kaum ein Begriff paßt besser zu den gängigen Vorstellungen vom „dunklen Mittelalter“ als die Alchemie, gerade weil sie noch bis weit in die Neuzeit hinein von esoterischen Zirkeln gepflegt wurde. Geheimsprache, Zauberzeichen, der endlose Versuch, Gold und den Stein der Weisen herzustellen – dies alles klingt mit. Bernhard Dietrich Haage, ein hervorragender Kenner der Materie, verfolgt in seinem Buch, wie mit der Rezeption der arabischen Literatur seit dem zwölften Jahrhundert die alchemistische „ars nova“ im Abendland zu breiter Blüte gelangte.
Der Leser erfährt nicht nur, wie als Nebenprodukt der alchemistischen Bemühungen weittragende Erfindungen gemacht wurden – zum Beispiel das Schießpulver, das Porzellan und die Destillation -, sondern auch, wie sich allmählich die neuzeitliche Chemie entwickelte. In den Traditionen der Alchemie steht auch deren revolutionärer Neuerer, Paracelsus, der Begründer der modernen Medizin. Der mit ihm erfolgte Umbruch in der therapeutischen Praxis ist ohne die Alchemie der Jahrhunderte zuvor undenkbar. Seit Paracelsus benutzen Ärzte verstärkt mineralische Stoffe zur Krankheitsbekämpfung.
Haages anschaulich geschriebenes Buch wendet sich an ein breites Publikum. Und es ist sicher, vor allem wegen des reichen Anmerkungsteils, auch für Forscher der angrenzenden Disziplinen äußerst nützlich.
Bernhard Dietrich Haage ALCHEMIE IM MITTELALTER Ideen und Bilder – von Zosimos bis Paracelsus Artemis und Winkler Zürich/Düsseldorf, 1996 285 S., DM 78,-
Michael Dallapiazza