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Dieselruß – Sieben überraschende Antworten

Allgemein

Dieselruß – Sieben überraschende Antworten
Krebs und Atemwegskrankheiten durch Dieselabgas: Was ist dran? Gerüchte und Vorurteile vernebeln den Blick auf das Problem Dieselruß. bild der wissenschaft sortierte Sicheres und Ungewisses.

Die krebserzeugende Potenz der Abgase aus Ottomotoren ist zur Zeit mindestens zehnmal niedriger als die vergleichbarer Dieselmotoren. Das ist das zentrale Ergebnis einer 300 Seiten starken Studie, die am 5. August 1999 von ihrem Auftraggeber – dem Umweltbundesamt in Berlin – und vom Bundesumweltministerium der deutschen Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die Studie entstand unter Federführung des Fraunhofer-Instituts für Toxikologie und Aerosolforschung in Hannover. Zwei Grundannahmen bildeten die Arbeitsplattform der Forscher: Ausschlaggebend für die krebserzeugende Potenz der Dieselabgase ist vor allem die Emission fester Partikel aus Kohlenstoff – von Dieselruß. Die Lunge eines Menschen reagiert auf die Rußpartikel nicht völlig anders als die Lunge einer Ratte, so daß die Ergebnisse von Inhalationsversuchen an Ratten auf Menschen übertragen werden können.

Bedeutet das Ergebnis der Fraunhofer-Studie das Aus für den Diesel? „Es ist lediglich ein Risikovergleich von Antriebskonzepten mit einer relativen Aussage“, wehrt Institutschef Prof. Uwe Heinrich ab und überrascht in einem Interview mit dem Satz: „Es ist richtig, daß die Autoindustrie auf den Diesel setzt.“ Heinrich findet es ohnedies angemessener, von „Partikeln“ oder „Stäuben“ zu sprechen als von „Dieselruß“. Denn er sieht auch nach der neuen Studie den benzingetriebenen Ottomotor durchaus nicht aus dem Schneider, was den Ausstoß von fein verteilten Feststoffteilchen betrifft (siehe Frage 7). Sein Votum: Partikelfilter müssen zum Standard bei der Abgasreinigung für Autos werden. In europäischen Großstädten enthält ein Kubikmeter Luft durchschnittlich etwa 50 Mikrogramm Schwebstaub. Je nach lokalen Gegebenheiten stammt ein Zehntel bis ein Viertel davon aus dem Verkehr, schätzen Experten für Luftreinhaltung. Für deutsche Ballungsgebiete ermittelte der Länderausschuß für Immissionsschutz 1991 eine durchschnittliche Dieselruß-Belastung von 7,2 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Besonderes Augenmerk richten die Umweltmediziner auf die ultrafeinen Stäube, mit einem Partikeldurchmesser von weniger als 0,1 Mikrometern (ein Mikrometer = ein tausendstel Millimeter). Weil sie so leicht sind, machen sie weit weniger als zehn Prozent der gesamten Schwebstaubmenge aus – aber 70 bis 80 Prozent der Partikelanzahl. Je kleiner der Durchmesser, desto größer die Partikeloberfläche – und die gilt den Inhalationsbiologen heute als das eigentlich Schädigende für die Lunge. Modernen Dieselmotoren wird von Umweltschutzverbänden nachgesagt, tendenziell immer mehr solcher ultrafeinen Partikel auszustoßen. Ist das wahr? Was ist überhaupt dran an den vielen Behauptungen rund um den Dieselruß?

Frage 1 Stoßen moderne Dieselmotoren immer feinere Partikel aus?

Ich weiß nicht, wer die These von den immer feiner verteilten Stäuben aufgebracht hat“, sagt Stefan Pischinger. „Ich kenne keine einzige Veröffentlichung, die bei einem repräsentativen Querschnitt von Dieselmotoren die Partikelemission dokumentieren und diesen angeblichen Trend belegen würde.“ Pischinger ist Professor und Lehrstuhlinhaber am Institut für Verbrennungskraftmaschinen der Technischen Hochschule Aachen. In Personalunion fungiert er als geschäftsführender Gesellschafter der Aachener Motoren-Entwicklungsfirma FEV. „Wir haben an unserem Prüfstand eine Vielzahl von Motoren gemessen“, bezeugt er. „Wenn ich überhaupt einen Trend angeben soll, dann den: Neuere Dieselmotoren zeigen insgesamt ein niedriges Partikelemissionsniveau – und zwar sowohl weniger Masse als auch kleinere Partikelzahlen.“ Andere sehen das anders. Im Auftrag des Schweizer Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft, der Schweizer Unfallversicherung SUVA und weiterer Partner läuft seit 1994 die sogenannte VERT-Studie („Verminderung der Emissionen von Realmaschinen im Tunnelbau“). Ein Befund dieser Studie lautet: Heutige Dieselmotoren stoßen mindestens gleich viel feine Partikel aus wie noch vor zehn Jahren. Pischinger widerspricht entschieden. „Vergleiche einzelner Motoren, wie sie auch in der VERT-Studie auftauchen, haben keine statistische Relevanz. Jeder kann sich zwei völlig verschiedene Serien-Dieselmotoren herausgreifen, einen älteren und einen neueren, und dann im Abgas dieses neueren – womöglich mit nicht vergleichbarer Bauweise – mehr feine Partikel messen. Die Messung mag korrekt sein. Aber dieses Ergebnis hat dann weder eine wissenschaftliche Relevanz, noch ist es repräsentativ für die Gesamtheit aller Motoren.“

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Messungen an Abgaspartikeln – ein Größenspektrum mit einem Schwerpunkt um meist 0,1 bis 0,2 Mikrometer Durchmesser – sind ein heikles Geschäft. Durch viele Veröffentlichungen ziehen sich Diagramme mit einer Partikelverteilung, die ungefähr wie ein Kamelhöcker aussieht. „Wenn einer dieser Hökker bei 0,02 bis 0,05 Mikrometer Partikeldurchmesser liegt, läuten bei mir alle Alarmglocken“, so der Aachener Motorexperte, „und ich denke mir: vielleicht wieder ein Verdünnungsfehler.“ Bei der Messung am Prüfstand wird das Abgas weit weniger mit Luft verdünnt, als dies in der Realität des Straßenverkehrs geschieht. Nach dem Eintritt in die Meßapparatur kühlt sich das Abgas rasch ab, und ohne ausreichende Verdünnung mit Luft kondensieren dessen flüchtige Bestandteile zu feinen Tröpfchen – ähnlich wie sich aus feuchter Luft über einem Flußtal Nebel abscheidet. Dieses Kondensat verdampft kurz nach Verlassen des Auspuffs wieder. Unter Verdacht, Krebs auszulösen, stehen jedoch in erster Linie die festen Kohlenstoffpartikel im Abgas.

Zwar ist heute, um diesem verfälschenden Effekt vorzubeugen, bei Abgasmessungen ein „Verdünnungstunnel“ Vorschrift – darin wird dem Abgasstrom Luft zugemischt. „Aber“, mahnt Pischinger, „das reicht häufig nicht aus, wenn man nicht sorgfältig arbeitet und so lange das Verdünnungsverhältnis erhöht, bis realitätsnahe Verdünnungsverhältnisse vorliegen – dann ist der Effekt meist weg. Sonst mißt man unter Umständen diesen Kondensations-Peak und fällt dem Trugschluß zum Opfer: Da kommen mehr Feinstpartikel raus.“ Nach seiner Beobachtung führt die Reduktion der Partikelmasse im Dieselabgas, wie sie EUweit in mehreren Schritten vollzogen wird, sowohl zu einer Verringerung der gröberen als auch der feinen Rußteilchen.

bdw-Fazit

Stoßen moderne Dieselmotoren immer feinere Partikel aus? nein Moderne Dieselmotoren emittieren im Abgas nicht mehr Feinststäube als ihre Vorgänger.

Frage 2 Sind immer lungengängigere Feinststäube in unserer Atemluft?

Eindeutig ja“, sagt Prof. Heinz-Erich Wichmann. Er leitet das Institut für Epidemiologie im GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, einer Großforschungseinrichtung des Bundes in Neuherberg bei München. Daß sein Befund den Meßergebnissen des Aachener Motor-Experten Stefan Pischinger scheinbar kraß zuwiderläuft (siehe Frage 1), irritiert Wichmann nicht: „Aussagen über Emissionen, also beispielsweise über die Abgase einer Motorenklasse, sind gut und schön. Aber es ist eine alte Regel in der Luftreinhaltung: Der Mensch atmet nicht ein, was aus dem Auspuff kommt. Das Abgas verändert sich bereits Sekunden nach der Emission aus dem Auto – chemisch und physikalisch.“ Der GSF-Epidemiologe hält sich an das, was er und seine Kollegen seit acht Wintern in Erfurt gemessen haben. Die thüringische Stadt gehörte zu den am stärksten luftbelasteten Städten der DDR: Auf drei Seiten vom Thüringer Wald und auf der vierten durch hohe Mietshäuser abgeschottet, konnten Verkehrs- und sonstige Abgase kaum abziehen. Durch aufwendige Meßmethoden stellten die GSF-Forscher fest: Vom Winter 1991/1992 bis 1998/1999 hat in der Erfurter Luft die Masse an Fein- und Feinststäuben abgenommen. „Wir haben aber zusätzlich – separat nach einzelnen Größenklassen – jeweils die Anzahl der Partikel ermittelt“, erläutert Wichmann. „Da fanden wir: Die Anzahl der Partikel ist etwa gleichgeblieben – rund 20000 pro Kubikzentimeter. Aber noch eindrücklicher war: Der Anteil der Ultrafeinststäube zwischen 0,01 und 0,03 Mikrometer – die am extremsten lungengängig sind – hat seit 1991/ 1992 von damals 46 Prozent auf heute 72 Prozent zugenommen.“ Wichmann zieht den Schluß: „Offenbar löst die herkömmliche Motor- und Abgasbehandlungstechnik das Problem der Feinststäube nicht. Ich fürchte, daß die Autoindustrie, nach Vorgabe der EU-Abgasnormen, möglicherweise das Falsche optimiert.“

bdw-Fazit

Sind immer lungengängigere Feinststäube in der Atemluft? ja Der Anteil der besonders leicht lungengängigen Feinststäube in der Luft ist gewachsen.

Frage 3 Ist klar, warum die Feinststäube in der Luft zunehmen?

Ein wichtiges Bindeglied in der Kausalitätskette fehlt: Wenn es wahr ist, daß die heutige Motorengeneration keineswegs mehr feinverteilten Dieselruß ausstößt als die vorige – wieso ist dann mehr davon in unserer Atemluft? Eine derzeit unter Forschern diskutierte Hypothese klingt paradox: Die per Abgasgesetzgebung vorgeschriebene Senkung der Partikel-Emission habe zuviel von den größeren Rußteilchen reduziert. Aerosole aus schwebenden Feststoffteilchen sind nichts Statisches. Gerade die ultrafeinen, kleinsten Partikel sind besonders leicht beweglich und neigen dazu, sich nach Kollisionen mit größeren Rußteilchen zu immer größeren Agglomeraten zusammenzulagern. Je nach herrschender Temperatur, Strömungsgeschwindigkeit und weiteren Rahmenbedingungen bildet sich auf diese Weise ein dynamisches Gleichgewicht zwischen kleineren und größeren Partikeln aus.

Wenn nun, so die Hypothese, durch Abgasreinigung immer weniger große Rußpartikel vorhanden sind – könnte das nicht die statistische Kollisionswahrscheinlichkeit senken und zu höheren Anteilen und einer längeren Lebensdauer der kleinen Partikel führen? Was freilich nicht mehr fraglich ist: Zwar tragen auch andere Quellen wie Gasherde und Heizungen zum Ruß in der Luft bei – doch das Aufkommen an Feinststaub-Partikeln ist klar an die Quelle Verkehr gekoppelt. GSF-Forscher Heinz-Erich Wichmann fand bei den Erfurter Messungen eine sichere Abhängigkeit zwischen Partikelzahl und Verkehrsdichte.

bdw-Fazit

Ist klar, warum die Feinststäube in der Luft zunehmen? nein Was sich luftchemisch zwischen Auspuff und Atemzug abspielt, weiß keiner: Forschungsbedarf.

Frage 4 Wissen wir, wie die Lunge des Menschen reagiert?

Dieselruß löst eindeutig Lungenkrebs aus – im Laborexperiment an Ratten. Doch inwieweit ist das auf den Menschen übertragbar? Auch ein Experte wie Dr. med. Holger Schulz, Inhalationsbiologe am GSF-Forschungszentrum, weiß darauf keine eindeutige Antwort. „Bei Ratten ist der Fall ziemlich klar“, erläutert Schulz. „Die tief in die Lunge eingedrungenen Partikel lösen lokal eine chronische Entzündungsreaktion aus. Das angrenzende Gewebe bombardiert den vermeintlichen Infektionsherd ständig mit aggressiven Oxidantien, etwa mit freien Sauerstoff-Radikalen. Das ist eine natürliche Abwehrmaßnahme gegen Viren, Bakterien, Parasiten. Aber irgendwann beginnt der Dauerbeschuß die Erbsubstanz der Zellen zu schädigen, die nahe an dem Partikel liegen. Am Ende schlagen sie den Pfad in Richtung Krebszellen ein.“ Beim Menschen scheint das anders zu laufen. Bergleute beispielsweise, die unter Tage an dieselbetriebenen Maschinen Spitzenbelastungen von bis zu zwei Milligramm Dieselruß pro Kubikzentimeter Luft abbekamen, tragen zwar ein statistisch erhöhtes Lungenkrebsrisiko. Doch ihre Lunge ist nicht chronisch entzündet – und erst recht nicht die Lunge des Normalbürgers, der momentan in deutschen Ballungsgebieten mit durchschnittlich 7,2 Mikrogramm Dieselruß pro Kubikzentimeter Luft belastet ist, also 200mal schwächer als die genannten Bergleute. Und doch besteht für den Menschen ein – wenn auch kleines – Lungenkrebsrisiko durch Dieselruß, fanden die Epidemiologen (siehe Frage 5). „Also“, folgert Holger Schulz, „dürfte der Mechanismus beim Menschen ein anderer sein – aber welcher, ist bislang nicht nachgewiesen.“ Anderswo sehen die Forscher klarer: Teilchen mit weniger als 0,1 Mikrometer Durchmesser, die Feinststäube, werden mit dem Luftstrom bis in die Alveolen getragen – Bläschen am Ende der Luftwege, wo hauchdünne Blutkapillaren den Sauerstoff ins Blut aufnehmen. Und offenbar nicht nur Sauerstoff: Auch ultrafeine Dieselruß-Partikel gehen anscheinend ins Blut. „Die Teilchen können auf diesem Weg sogar Organe wie Herz und Gehirn erreichen“, sagt Schulz. So würden möglicherweise selbst Herzrhythmus-Störungen ausgelöst. Der GSF-Forscher erklärt: „Obwohl die ultrafeinen Partikel nur wenige Prozent der eingeatmeten Dieselruß-Masse ausmachen, stellen sie doch den Löwenanteil der Oberfläche. Das macht sie nicht nur biologisch sehr reaktionsfähig, sondern auch zu einer enormen Kontaktfläche mit allem, was sonst noch in der Luft schwebt. Keiner weiß, was mit ihnen zusammen via Lunge in den Körper aufgenommen wird.“ Und noch etwas beschäftigt den Inhalationsbiologen Schulz: Nicht nur die Teilchenzahl und -oberfläche sind in seinen Augen wichtig. Ein spezieller Aspekt kommt ihm in allen Diskussionen zu kurz: „Die genetischen Voraussetzungen des einzelnen könnten in dem Geschehen eine sehr wichtige Rolle spielen.“

Er versucht derzeit, durch Versuche mit unterschiedlichen Mäusestämmen herauszufinden, ob sich auffällige Empfindlichkeiten gegenüber Dieselruß an bestimmten Genstrukturen im Erbgut festmachen lassen. „Dann könnte man auch unter Menschen nach Erbanlagen suchen, die gegen Dieselruß empfindlicher oder robuster machen.“

bdw-Fazit

Wissen wir, wie die Lunge des Menschen reagiert? nein Der Schädigungsmechanismus von Dieselruß in der menschlichen Lunge ist unbekannt.

Frage 5 Löst Dieselruß im Menschen Lungenkrebs aus?

Wir werden nie einen „Diesel-Krebstoten“ identifizieren können – einen, der ausschließlich durch das Einatmen von Dieselruß gestorben ist“, sagt Prof. Uwe Heinrich. Der Hannoveraner Fraunhofer-Forscher erläutert: „Es besteht zwar ein Zusammenhang zwischen Dieselruß und Lungenkrebs. Aber der Effekt läßt sich epidemiologisch offenbar erst bei Konzentrationen erfassen, die deutlich über der derzeitigen Luftbelastung durch Abgaspartikel liegen.“ Damit liegt er auf derselben Linie wie GSF-Epidemiologe Prof. Heinz-Erich Wichmann. „Es gibt ein Lungenkrebsrisiko durch Dieselabgas – aber man muß die Kirche im Dorf lassen“, fordert der Wissenschaftler. So sehen die Fakten aus: Das Krebsrisiko durch Rußpartikel in unserer Atemluft ist zu klein, um es mit epidemiologischen Methoden nachweisen zu können. Nur bei Menschen, die durch ihren Beruf jahre- oder gar jahrzehntelang überdurchschnittlich stark mit Dieselruß belastet waren, ließ sich der Zusammenhang überhaupt herstellen. Am deutlichsten ist er bei ehemaligen Fahrern schwerer Bau- und Erdbewegungsmaschinen wie Dampfwalzen oder Planierraupen. Auch bei Diesellokführern und Berufskraftfahrern ist ein Effekt erkennbar. Eine große deutsche Studie ergab für stark Dieselabgasbelastete im Mittel über verschiedene Berufe ein 1,4fach erhöhtes Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. Ein Vergleich hilft, diese Zahl einzuordnen: Ebenfalls etwa 1,4fach erhöht ist das Lungenkrebsrisiko eines Passivrauchers gegenüber einem Nichtraucher. Ein Raucher geht gegenüber einem Nichtraucher ein rund 10fach höheres Risiko ein. Wichmann nennt statistisch ermittelte Zahlen für die Bundesrepublik Deutschland (alte Bundesländer), wie sich Mitte der neunziger Jahre – unter stark vereinfachten Annahmen – die Risikoanteile für die Auslösung von Lungenkrebs darstellten: Rauchen: mindestens 80 Prozent, berufliche Belastung: bis zu 10 Prozent, natürliche Strahlenbelastung: bis zu 8 Prozent, Luftverunreinigungen: bis zu 2 Prozent, davon maximal die Hälfte durch Dieselruß (1 Prozent).

In Absolutzahlen heißt das für Deutschland, wo jährlich rund 35 000 Menschen an Lungenkrebs sterben: Für 350 Todesfälle wäre Dieselruß der Verursacher – theoretisch, aus den Zahlenkolonnen der Statistiker herausdestilliert.

bdw-Fazit

Löst Dieselruß beim Menschen Lungenkrebs aus? ja, aber Die Studien lassen auf einen Zusammenhang zwischen Dieselruß und Lungenkrebs schließen. Das Krebsrisiko ist offenbar klein, aber nicht gleich Null.

Frage 6 Schädigen die Staubpartikel auch anderweitig die Gesundheit?

Es besteht kein Zweifel: Über die krebsfördernde Wirkung hinaus schaden die Schwebstaubpartikel in unserer Atemluft der Gesundheit. Staub enthält gröbere und feinere Partikel. Je mehr Feinstaub in der Luft ist, desto schlimmer sind die Krankheitssymptome bei Asthmatikern und Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen, desto mehr kommt es zu Medikamentenkonsum und Krankenhausaufnahmen. Die Lebenserwartung der Menschen in stark belasteten Gebieten ist um ein bis zwei Jahre verkürzt.

Aktuelle Untersuchungen zeigen: Für die Gesundheit ist speziell der Feinststaub (Partikeldurchmesser unterhalb von 0,1 Mikrometer) möglicherweise am relevantesten. „Je feinere Partikel man mißt, desto klarer wird in epidemiologischen Studien der Zusammenhang“, bezeugt Prof. Heinz-Erich Wichmann. Im Winter 1991/1992 hatte das GSF-Forschungszentrum die weltweit erste Studie über den Einfluß von ultrafein verteiltem Schwebstaub begonnen. Die Forscher erfaßten in Erfurt Tag für Tag die aktuelle Luftbelastung mit Partikeln. Gleichzeitig führte eine Beobachtungsgruppe von Erfurter Asthmatikern Tagebuch über ihre Symptome und den Medikamentenverbrauch. Die Auswertung ergab einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen dem Krankheitsgeschehen und der Anzahl – nicht der Masse! – an Feinststaubpartikeln in der Luft. Weitere Studien bestätigten das Bild. Sie zeigen heute sogar einen Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Krankheiten, ohne daß der Mechanismus geklärt wäre. Auch zwischen Ruß und Pollenallergien könnte ein Zusammenhang bestehen. Er ist allerdings bislang nicht eindeutig nachgewiesen.

bdw-Fazit

Schädigen Staubpartikel auch anderweitig die Gesundheit? ja Je mehr – und vor allem je feinere – Partikel in der Luft schweben, desto mehr Menschen bekommen Lungenprobleme und sterben vorzeitig an Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Krankheiten.

Frage 7 Hat der Dieselmotor als Antriebskonzept ausgedient?

Die im August 1999 veröffentlichte Fraunhofer-Studie scheint – auch nach den kommenden EU-Abgasnormen Euro III (2000) und Euro IV (2005) – den Diesel stets gesundheitsgefährdender darzustellen als den Benziner. Die Betonung liegt auf „scheint“. Denn erstens: Auch der Ottomotor ist kein Partikel-Saubermann. In derselben Fraunhofer-Studie steht: „Bei höheren Geschwindigkeiten (ab 120 Stundenkilometern) ist praktisch kein Unterschied in den emittierten Partikelzahlen zwischen Otto- und Diesel-Pkw mehr festzustellen. Die Ursache ist noch unklar.“ Auch GSF-Epidemiologe Heinz-Erich Wichmann unterstreicht: „Die Diskussion konzentriert sich zu Unrecht auf den Diesel. Wenn man die ultrafeinen Stäube aus der Luft wegkriegen will, muß man die Benzinmotoren mit einbeziehen – sonst löst man nur die Hälfte des Problems.“ Zweitens: Mit einem Partikelfilter, wie er für schwere Nutzfahrzeuge bereits gang und gäbe ist, können Diesel-Pkw ihren Partikelausstoß – und die damit verbundenen Gesundheitsrisiken – bis auf das Niveau benzingetriebener Motoren senken. Das ist keine Zukunftsmusik mehr, sondern technisch machbar. Im April 2000 kommt der erste Diesel-Pkw mit serienmäßigem Partikelfilter auf den Markt. Das französische Unternehmen PSA stellte den neuen Peugeot 607 bereits im September 1999 auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt am Main vor. Andere Diesel-Pkw-Hersteller werden nachziehen müssen, wenn das System sich in der Praxis bewährt. Der Peugeot 607 ist mit einem Keramik-Partikelfilter des japanischen Herstellers Ibiden ausgerüstet. Die Partikel werden darin abgebrannt – zu 60 Prozent, versprechen die vorsichtigen Peugeot-Techniker, während andere dem Filter über 90 Prozent Partikelreduktion zutrauen.

bdw-Fazit

Hat der Dieselmotor als Antriebskonzept ausgedient? nein Mit Partikelfilter kann der Dieselmotor künftig seine Feinstaub-Hypothek loswerden.

„90 Prozent der Partikel wegfiltern“

bild der wissenschaft: Herr Prof. Heinrich, was ist neu an der von Ihrem Institut erarbeiteten Studie?

Heinrich: Erstens haben wir das Fahrzeugverhalten wie im normalen Stadtverkehr zugrunde gelegt, also mit Kaltstart, Bremsen und Beschleunigen, und dabei – auch unter Einbeziehung der Kraftstoffverdunstung – die Abgasemissionen gemessen. In einer früheren Studie geschah das nur auf der Basis von Motorprüfstandsdaten. Zweitens haben wir auch Nutzfahrzeuge verglichen. Und drittens zielte die Risikobewertung für den Menschen nicht nur auf Krebs, sondern auch auf Atemwegs- und Herz-Kreislauf- Krankheiten – von letzteren sind möglicherweise weit mehr Menschen betroffen.

bild der wissenschaft: Ihr Ergebnis, wonach der Dieselmotor bezüglich des Krebsrisikos mindestens zehnfach schlechter abschneidet als der Ottomotor, gründet ausschließlich auf Tierversuchen an Ratten.

Heinrich: Das ist richtig, aber es wird auch in unserer Studie angesprochen: Ob der Mechanismus der Tumorauslösung, wie er bei der Ratte angenommen wird, auf den Menschen übertragen werden kann, ist noch offen. Aber ich meine, es wäre falsch, womöglich weitere Jahrzehnte zu warten, bis jemand herausfindet, nach welchem Mechanismus Dieselruß im Menschen Krebs auslöst. Das wäre nicht im Sinne des vorbeugenden Gesundheitsschutzes. Außerdem ist die Rattenlunge nicht grundsätzlich verschieden von der menschlichen.

bild der wissenschaft: Welche Schlüsse soll der Bürger aus Ihrer Studie ziehen – etwa vor dem nächsten Autokauf?

Heinrich: Ich glaube, der Bürger wird zuerst auf seinen Geldbeutel schauen und danach sein finanzielles Engagement für den Gesundheitsschutz bemessen.

bild der wissenschaft: Müssen Dieselfahrer sich schämen?

Heinrich: Der größte Teil der Dieselrußemission kommt aus dem Schwerlastverkehr. Ich finde, die Leute, die alte Dreckschleudern fahren oder als Fuhrparkbesitzer deren Betrieb verantworten, sollten sich schon Gedanken machen.

bild der wissenschaft: Wie gefällt es Ihnen, daß die Autoindustrie im Diesel-Pkw die Zukunft sieht, um Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß zu senken?

Heinrich: Im Prinzip ist der Diesel ein sehr umweltverträgliches Antriebskonzept, sofern Abgasfilter oder andere Maßnahmen zur Verringerung der Anzahlkonzentration der Partikel zum Einsatz kommen. Es ist richtig, daß die Autoindustrie derzeit auf den Diesel setzt. Sicherlich ist die Partikel-Emission immer noch ein Problem. Aber wie wir gemessen haben, können Partikelfilter mehr als 90 Prozent der Staubteilchen wegfiltern. Diese Filter müssen generell eingeführt werden.

bild der wissenschaft: Also sehen Sie keinen Grund, generell vom Dieselantrieb abzurücken?

Heinrich: Nein. Im übrigen: Auch Ottomotoren stoßen Rußpartikel aus – zwar deutlich weniger als Dieselmotoren, aber es gibt bei uns wesentlich mehr Ottomotor-Fahrzeuge.

Thorwald Ewe

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