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Ehrenrettung für die Pommes

Allgemein

Ehrenrettung für die Pommes
Mal geliebt, mal als Dickmacher und kulinarischerTiefschlag verteufelt: An Pommes scheiden sich die Geister. Vor allem beim Fritieren kann man allerdings so ziemlich alles falsch machen – was zu Unrecht auf die Kartoffelstäbchen zurückfällt.

Die Szene spielt in London. Ken ist an einen Stuhl gefesselt. Denn er weiß, wo die Diamanten aus dem Bankraub versteckt sind – und das will sein Gegenüber unbedingt aus ihm herauspressen: Otto, ein rüder Gangster aus den USA.

Zum Warmwerden beginnt Otto mit einer kleinen Einleitungsfolter: Er greift sich aus dem Pappteller, der vor ihm steht, ein gut fingerlanges Stäbchen, spricht verachtungsvoll den Satz: „Die englische Verbeugung vor der Nouvelle Cuisine heißt – Pommes!“ und stopft Ken das Objekt ins linke Nasenloch. Danach wird auch das andere mit einem Stäbchen verkorkt. Am Schluß gibt es gemeinerweise eine Birne in den Mund – und Ken bleibt die Puste weg, bis er endlich mit einem entschlossenen Schneuzer die Nasenpfropfen los wird.

Bizarr, bizarr. Kinogänger kennen die Kult gewordene Szene aus „Ein Fisch namens Wanda“. In diesem Feuerwerk schwarzen britischen Humors, politisch sehr unkorrekt und zum Brüllen komisch, spielen Kevin Kline und Michael Palin den Folterer und sein Opfer. Den zweckentfremdeten Pommes frites bleibt die Nebenrolle als Lachnummer.

Das ist symptomatisch. Kinder und Jugendliche belächelt man, weil sie massenhaft frittierte Kartoffelstäbchen verdrücken, womöglich „rot-weiß“ – mit Ketchup und Mayonnaise überschwemmt. Wer als kultivierter Erwachsener auf sich hält, pflegt über Pommes die Nase zu rümpfen und hütet sich, sie abendlichen Gästen vorzusetzen. Zumal die Dinger ungesunde Dickmacher sein sollen: Sie sind ja dem Vernehmen nach ziemlich fett, wenn auch nicht so sehr wie die dreimal fetteren Kartoffelchips.

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Die Pommeritis der Kids macht sogar Regierungen unruhig. Seit dem 1. April 2001 – nein, kein Aprilscherz – ist in Großbritannien ein neues Schulspeisungsgesetz in Kraft. Darin werden die Grundschulen angewiesen, den Kindern an mindestens zwei Wochentagen mittags keine Pommes frites anzubieten. Begründung: Erziehungsminister David Blunkett wünscht eine gesündere Ernährung der Briten, von Jugend an.

Der statistische Deutsche verdrückt zu Hause pro Jahr sechs Kilogramm an Kartoffel-Tiefkühlerzeugnissen: hauptsächlich Fritten. Das summiert sich bundesweit zu jährlich 500000 Tonnen. Was in Restaurants und Fast-Food-Läden, auf Jahrmärkten und an Imbißbuden über die Theken geht, hat niemand erfaßt, beläuft sich jedoch nach Einschätzung von Insidern auf ein Mehrfaches der Einzelhandels-Tonnage.

Überrollt uns somit eine Lawine an Ungesundem? Dürfen Gastro-Gurus hoffen, daß die Fritte als solche überall auf die Abschußliste kommt? Experten sagen: Nein.

„In eine vielseitige und abwechslungsreiche Ernährung eingebaut, zusammen mit Obst, Gemüse und weniger Fleisch als gegenwärtig – da sind Pommes frites kein Problem“, sagt Dr. Ulrich Schlemmer von der Bundesforschungsanstalt für Ernährung (BfE) in Karlsruhe. Mit einer kleinen Einschränkung: „Gekochten Kartoffeln sollte man an sich den Vorrang geben, da sie ernährungsphysiologisch wertvoller sind und viel weniger Fett enthalten als Pommes frites.“

Durch den Fettgehalt werde kulinarische Einseitigkeit zum Problem: „Wer sich von Kindesbeinen an jahrzehntelang fett-, salz- und zuckerreich ernährt, bezahlt in fortgeschrittenem Alter möglicherweise mit Übergewicht und Herz-Kreislauf-Krankheiten.“ Ansonsten übt Schlemmer sich in Realismus: Es helfe wenig, Askese zu fordern – Fett sei nun mal ein Geschmacksträger, fetthaltiges Essen wie Pommes daher attraktiv.

Gewisse Sorgen machen dem Karlsruher Ernährungsphysiologen die „Trans-Fettsäuren“. Ihre Hauptquelle sind Brat- und Siedefette, die für die Herstellung von Backwaren wie Berlinern, Chips und besonders Pommes frites im Handel sind. Bis zu 50 Prozent an Trans-Fettsäuren sind in den weißen Fettblöcken enthalten. Wer eine Portion Pommes – 100 bis 120 Gramm – verspeist, hat schnell die 6 bis 8 Gramm Trans-Fettsäuren intus, die die Deutsche Gesellschaft für Ernährung für maximal tolerierbar hält.

In höheren Dosen treiben diese Stoffe den Blutcholesterin-Spiegel hoch – ein Risikofaktor für Gefäßschäden bis zum Herzinfarkt. Hier sind Behörden und Hersteller im Gespräch, was an der Rezeptur der Fette zu ändern wäre. Doch ein genereller Feldverweis für die Pommes frites ist von Ulrich Schlemmer nicht zu hören.

„Die Kartoffel ist ein ideales Lebensmittel“, fällt Dr. Norbert Haase ein noch freundlicheres Urteil. „Sie hat einen relativ geringen Energiegehalt, enthält aber wertvolle Mineralstoffe wie Eisen, Kalzium und Kalium, viele B-Vitamine, hochwertiges Eiweiß. Die Leute sollten mehr davon essen, am besten in der Schale gekocht – aber ruhig auch mehr Pommes frites“ , mahnt der Wissenschaftler an der Bundesanstalt für Getreide-, Kartoffelverarbeitung und Fettforschung (BAGKF) in Detmold.

Haase findet es schade, daß der Pro-Kopf-Verbrauch hierzulande von 140 Kilogramm, um 1950, auf heute 70 Kilogramm zurückgegangen ist. Was die Zubereitungsform der Pommes frites betrifft, mißfällt ihm ein aktueller Trend sehr: Kartoffelstäbchen mit anhaftender Schale („Farm-Fritten“). „Das kommt aus den USA und soll wohl Natürlichkeit und Urwüchsigkeit signalisieren“, vermutet der Detmolder Forscher.

Haase rät klar vom Kauf ab: „Kartoffeln sollte man ausschließlich geschält essen.“ Erstens könnten sich sämtliche Umwelteinflüsse inklusive Dünger, Pflanzenschutzmittel und Keimungshemmer in der Schale wiederfinden. Zweitens liege von Natur aus eine dünne Schicht giftiger Bitterstoffe direkt unter der Schale. Beides sei ungesund. Und im übrigen sei noch etwas zum Thema Pommes negativ anzumerken: ihr teils hoher Fettgehalt.

Fett, Fett, Fett. Dieser Makel scheint den Kartoffelstäbchen auf ewig anzuhaften. Industriell vorfritierte, tiefgefrorene Pommes, die man beim Händler aus der Kühltruhe holt, dürfen 8 Prozent Fett enthalten – keine Kalorienbombe. Doch was nach dem Fritieren zu Hause auf den Tisch kommt oder an schlecht geführten Pommesbuden in der Schale pappt, hat bis zu 25 Prozent Fettgehalt.

Zwar bietet die Tiefkühltheke beim Händler auch „Ofen-Fritten“ . Die werden daheim nur im Backofen heißgemacht und kommen mit niedrigen 3 bis 5 Prozent Fett auf den Teller – schmecken aber nicht knusprig-kroß, sondern bestenfalls nach Bratkartoffel. Hard-Core-Pommisten lehnen so etwas ab – ebenso wie die vereinzelt erhältlichen, unsäglichen Pseudo-Pommes aus gepreßtem Kartoffelpüree, die im Mund sofort zu Matsch zerfallen.

Also was tun? Mit schlechtem Gewissen weiterhin zu fette Pommes essen oder auf das knusprige Vernügen ganz verzichten? Dr. Christian Gertz lehnt diese Alternative ab. Sein Gegenvorschlag heißt: „Richtig fritieren.“

Der Stellvertretende Leiter des Chemischen Untersuchungsamtes in Hagen befaßt sich ein Berufsleben lang mit Fettforschung. Von Amts wegen muß er Gewerbetreibenden in die Friteusen schauen – hin und wieder ein peinigender Job: „Schlimm, zu erleben, was alles falsch gemacht wird. Das fällt dann auf das Fritieren und die Pommes frites zurück.“

So etwas wurmt ihn. Er unterstreicht die Vorteile der Jahrtausende alten Methode, wasserhaltige Lebensmittel in heißem Öl schwimmend bei 140 bis 200 Grad Celsius zuzubereiten:

• Weil das Öl ein ausgezeichneter Wärmeüberträger ist, sind die Garzeiten sehr kurz. Für die Kartoffelstäbchen heißt das: Vitamine und wertvolles Eiweiß bleiben größtenteils erhalten.

• In einer nur etwa 0,3 Millimeter starken Zone an der Außenseite der Pommes reagieren freie Zuckermoleküle im Kartoffelgewebe mit Eiweiß – Chemiker nennen das die „ Maillard-Reaktion“. Das Resultat: eine aromatische Bräunungsschicht mit typischem Bratgeschmack.

• Die krosse Außenhaut, die sich bildet, verleiht dem Fritiergut einen knusprigen Biß.

• Der Eigengeschmack des Fritieröls verstärkt das Aroma des Lebensmittels – wenn es gutes Öl ist. Und wenn es sich überhaupt um Öl handelt.

Belgier, Niederländer und Franzosen fritieren ihre Pommes frites meist in Öl. Die Deutschen geben überwiegend festes Fett in ihre Friteusen. „Das begreife ich nicht“, sagt Gertz. „Die festen Barren im Handel bestehen meistens aus Palm- und Kokosfett oder aus gehärtetem Raps- und Sojaöl – diese Hartfette sind zum Fritieren denkbar schlecht geeignet.“

Erstens, erklärt der Hagener Experte, hat man einen höheren Energieverbrauch, weil feste Fette erst zum Schmelzen gebracht werden müssen. Zweitens sind sie wegen ihres Gehalts an gesättigten Fettsäuren – und öfters auch Trans-Fettsäuren – ernährungsphysiologisch minderwertiger als Öle. Drittens sind Aussehen und Aroma eines in Öl erhitzten Lebensmittels einfach besser: In Hartfett Gebackenes ist oft von einem grauen Belag überzogen, und in Öl zubereitete Pommes oder Fleischstücke sind schlicht saftiger.

Christian Gertz verrät sein persönliches, bestens bewährtes Fritieröl-Rezept: ein Drittel billiges Olivenöl (Handelsbezeichnung: „reines Olivenöl“, kein „extra vergine“), ein Drittel nicht raffiniertes („kalt gepreßtes“) Rapsöl und ein Drittel normales Sonnenblumenöl. Diese Mischung ist hitzestabil und verdirbt nicht so schnell.

Nach weiteren Tips gefragt, läßt sich der Fritier-Forscher nicht lange bitten. „Es ist Unfug, das Öl höher als zirka 160 Grad Celsius zu erhitzen“, legt er los. In der Randzone des Kartoffelstäbchens, aus der Wasserdampf nach außen strömt, herrschen stets nur 100 bis 103 Grad Celsius (siehe Grafik rechts) – egal, ob das angrenzende Öl 160 oder 220 Grad Celsius heiß ist. Der Fritiervorgang läßt sich also überhaupt nicht beschleunigen, wenn man die Temperatur hochregelt.

Durch zu hohes Erhitzen beschleunigt man lediglich, erst recht bei schlechtem Fritierfett, unter dem Einfluß von Luftsauerstoff die Zersetzung des Bades: Die Fettmoleküle werden „gecrackt“ – in komplexen chemischen Reaktionen aufgespalten – oder polymerisieren zu kunststoffähnlichen Molekülgerüsten. Ergebnis: Der Siedepunkt des Fettbades sinkt von über 200 Grad Celsius auf bis zu 130 Grad ab. Aus der Friteuse steigt dann beißender Rauch wie aus dem Krater des Ätna.

Der nächste Tip: „Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, daß raffiniertes Öl stabiler und daher besser fürs Fritieren sei als natives Öl. Es ist aber genau umgekehrt“, betont Gertz. Bei der Raffination der Fette und Öle werden viele natürliche Pflanzeninhaltsstoffe entfernt oder chemisch verändert. Dabei bilden sich nicht nur geringe Mengen an Trans-Fettsäuren – auch die Vitamine A und E werden zerstört. Nicht weniger ärgerlich ist: Unter den ursprünglichen Pflanzeninhaltsstoffen waren Substanzen, die heißes Öl lange gegen Zerfall stabilisieren – an der Spitze die Phytosterine.

Amerikanische Wissenschaftler haben sich die Idee patentieren lassen, diese Stoffe – Sesam- und Reisschalenöl ist besonders reich daran – als Additive in Fritierfette zu geben. Die schützenden Substanzen schieben den Zeitpunkt hinaus, zu dem das Fett gecrackt wird und am Ende zu einer zäh-viskosen Masse polymerisiert.

Ein entscheidender Punkt, sagt Christian Gertz, ist die richtige Konzentration an „Seifen“ im Fritierbad: Gemeint sind polare Substanzen wie Aldehyde und Ketone, die sich bei chemischen Reaktionen zwischen Fritiergut und Öl bilden (siehe Grafik). Sie sorgen für den Kontakt zwischen wasserhaltigen Pommes und umgebendem Öl. Und da ist ein Zuwenig genauso schädlich wie ein Zuviel.

Gertz: „Immer wieder höre und lese ich, man dürfe das Ölbad in einer Friteuse maximal 20 Stunden lang nutzen, dann sei es verdorben. Es müsse dann komplett weggeworfen werden. Man solle es ja nicht mit einer Portion unverbrauchtem Öl auffrischen, denn dann werde es schneller schlecht. Reiner Aberglaube – total falsch! Leider ist das sogar die Ansicht mancher Lebensmittel-Untersuchungsämter“, bedauert der Hagener Chemiker.

Richtig ist: In komplett neuem Öl werden Pommes frites nicht knusprig und schmecken nicht – denn es enthält noch keine kontaktfördernden polaren „Seifen“. „Darum gibt jeder Küchenprofi ein Täßchen gebrauchtes – nicht verdorbenes! – Öl ins frische Ölbad“, verrät Gertz. Daß andererseits das Auffrischen eines gebrauchten Fritierbades mit täglich rund 20 Prozent frischem Öl hervorragend funktioniert und dem Komplettersatz klar überlegen ist, haben er und seine Mitarbeiter in einem Feldversuch mit Fritierläden der Umgebung nachgewiesen.

Nach 150 Stunden mit dem Alt-plus-neu-Verfahren brachen die Forscher den Test ab, weil sich nichts Nennenswertes geändert hatte: Die Ölbäder wiesen konstant die ideale Konzentration von 17 bis 18 Prozent an polaren Substanzen auf. „Das kontrolliert man sinnvollerweise mit Schnelltestgeräten“, empfiehlt Gertz. Durch das Auffrischen mit frischem, nativem Öl waren jedesmal wieder natürliche Hitze-Stabilisatoren in die Bäder gelangt und hatten den Verderb verhindert.

Eminent wichtig ist dabei: Am Tagesende muß das Öl immer abfiltriert werden, am besten durch ein handelsübliches feinmaschiges Teflonsieb. Die Friteuse muß man gründlich reinigen, es darf keine Kruste zurückbleiben. Falls das Öl verfärbt sein sollte – nach dem Fritieren von Fleisch wird es bräunlich –, beeinträchtigt das die Qualität des Öls keineswegs: „ Die Farbe tut nichts zur Sache“, versichert Gertz.

In Fritieröl, das nie aufgefrischt wird, steigt der Anteil an polaren „Seifen“ nach und nach über die erwünschten 17 bis 18 Prozent. Dadurch wird die Benetzung der Pommes mit dem Fett immer intensiver – die Folge: Das gesamte Wasser wird aus dem Kartoffelstäbchen herausgeheizt. Es besteht nur noch aus einer dicken Kruste, die mit Fritierfett getränkt ist, und einem matschigen oder sogar hohlen Kern. Fettgehalt: bis zu 25 Prozent. Dies ist die Sorte Pommes, die Ernährungswissenschaftlern Sorgenfalten auf die Stirn treibt.

Jenseits von etwa 24 Prozent an polaren „Seifen“ ist das rauchende, mit feinem weißen Schaum bedeckte Fritierbad endgültig verdorben. Wenn der Budenbesitzer ein Einsehen hat, gibt er es einem der privaten Entsorgungsunternehmen mit, die für rund fünf Mark pro Zentner das Altfett einsammeln und es an Tierfutterhersteller verkaufen.

„Wir haben einmal einen Feldtest gemacht und an Frittenbuden 400 Altfettproben eingesammelt und analysiert. 120 Proben waren erkennbar zu hoch erhitzt worden. Etwa 30 von diesen Altfetten hätten meiner Meinung nach nicht ans Vieh verfüttert werden dürfen. Bei zuviel Hitze im Fritierbad entstehen zudem krebserregende Substanzen wie Acrolein, die in die Küchenluft gehen“, erklärt Gertz.

Recycel-Angebote für verbrauchtes Fritieröl Anfang der neunziger Jahre waren rasch wieder vom Markt verschwunden: Auf dem Weltmarkt kostet eine Tonne Palmöl 220 US-Dollar. Damit kann keine Recycling-Industrie konkurrieren. Hoffentlich freuen sich wenigstens die Schweine, wenn ihr Trog nach Pommesbude riecht. Mit Hochdruck durchs Gittermesser Das Pommes-frites-Machen fängt mit der richtigen Kartoffel an. Längst nicht jede der derzeit 183 in Deutschland zugelassenen Kartoffelsorten ist geeignet. Sie unterscheiden sich in Trockenmassegehalt, Anfälligkeit gegen Krankheiten, Zuckergehalt – wichtig für die Farbe der fertig fritierten Pommes –, Lagerfähigkeit und vielem mehr. Auch die Eigenfarbe des Kartoffelgewebes ist von Belang: „Deutsche wollen gelbfleischige Ware, Briten und Osteuropäer hingegen schätzen weißfleischige“, klärt Dr. Norbert Haase von der Detmolder Bundesanstalt für Getreide-, Kartoffelverarbeitung und Fettforschung auf. Bintje, eine festkochende holländische Sorte, dominiert bislang als Pommes-Rohstoff.

Aber Agria holt auf: Während Bintje kaum über Resistenzen gegen Kartoffelkrankheiten verfügt, ist Agria weitaus weniger anfällig.

Die Produzenten sind überwiegend niederländische Unternehmen oder zumindest deren Ableger. Ein nie abreißender Kartoffelstrom fließt aus den Vorratsbunkern in die Maschinerie der hochtechnisierten Betriebe. Die größten verarbeiten 500 Tonnen pro Tag. Die Knollen werden zunächst gereinigt, dann durch Dampfschäler von der Schale befreit und sortiert. Optoelektronische Detektoren identifizieren verfärbte oder fleckige Kartoffeln und lesen sie aus. Nach einem weiteren Waschgang schießt die Schneideanlage sie in einem Hochdruck-Wasserstrom durch Gittermesser. Wiederum optoelektronisch werden die gewünschten Stäbchen mit rechteckigem Querschnitt selektiert, die anderen wandern in die Püree- und Kroketten-Produktion.

Beim Schneiden haben die Messer viele Zellen im Kartoffelgewebe aufgerissen, aus denen jetzt Stärke austritt – das würde später beim Fritieren stören. Also werden die Pommes gewaschen. Dann landen sie in Blanchierbädern: Bei 60 bis 70 Grad Celsius werden sie kurz erhitzt, was Enzyme zerstört, die die Schnittflächen sonst braun färben würden. Des weiteren verkleistert teilweise die Stärke und bildet eine Barriere an der Fritten-Oberfläche, so daß wertvolle Inhaltsstoffe nicht ausgelaugt werden. Ein weiteres Bad sorgt für standardisierte Zuckerbeladung an der Oberfläche, damit die Stäbchen beim Endverbraucher gleichmäßig goldbraun auf den Teller kommen. Bei Fritten, die für die Gastronomie produziert werden, schließt sich häufig noch ein Kalzium-Bad an: Das stabilisiert die Zellwände der Außenflächen, so daß die Stäbchen beim Liegen im Verkaufsstand möglichst lang ihre Krosse behalten.

Ein Vortrockner entfernt oberflächliches Wasser. Dann warten Fritteusen von Schwimmbeckenlänge, in denen die Pommes drei Minuten lang vorfritiert werden. Ein Heißluftgebläse oder eine heiße Dusche reißen anhaftendes Fett weg – und die Stäbchen wandern in den Kühlraum oder werden tiefgefroren.

Vor allem für die Fast-Food-Restaurants fertigen die Firmen – neben der klassischen Variante mit 10 mal 10 Millimeter Querschnitt – auch „Feinschnitte“ mit 8 mal 8 oder 7 mal 7 Millimeter. Experte Norbert Haase sieht das nicht so gern: „Nur die äußeren drei Millimeter nehmen beim Endfritieren Fett auf. Bei klassischen Pommes frites bleibt also normalerweise ein fettfreier Kern – aber wenn das ganze Stäbchen nur 7 Millimeter Durchschnitt aufweist, ist es praktisch mit Fett durchtränkt.“

Lohnt es, sich Pommes frites zu Hause selbst zu schnipseln? Haase ist skeptisch: „Das kann mal gutgehen und mal scheitern, selbst wenn man die richtigen Sorten Bintje oder Agria bei seinem Händler bekommt. Das Problem ist die richtige Lagerung – sie ist ausschlaggebend für den korrekten Gehalt an freien Zuckermolekülen. Und damit ist der Gemüsehändler an der Ecke meist überfordert.“ Auf die „Seifen“ kommt es an Bei zirka 160 Grad Celsius liegt die beste Fritiertemperatur. Die Kartoffelstäbchen sollen im heißen Öl frei schwimmen können. Im Inneren der Pommes frites liegt eine Zone, in der es nie heißer als zirka 100 Grad Celsius wird, solange die 30 bis 70 Prozent flüssigen Wassers noch nicht aufgebraucht sind. Aus dieser Zone diffundiert Wasserdampf nach draußen. Durch die Hitze verkleistert während des Fritiervorgangs die Stärke in der 0,3 Millimeter dicken äußersten Schicht („Trocknungszone“). Nach kurzer Zeit sind dort die Poren des Kartoffelgewebes geschlossen – es dringt kein weiteres Fett ein, und kein Wasserdampf verläßt mehr die Pommes: Sie bleiben saftig.

Ausschlaggebend für den korrekten Verlauf dieses Prozesses ist die Konzentration von „Seifen“ im Fritierfett: polare Substanzen, die durch das Fritiergut ins Fett kommen. Das sind Moleküle mit einem wasserlöslichen „Kopf“ und einem fettlöslichen „Schwanz“. Sie ordnen sich entlang der Grenzschicht zwischen Fett und wasserhaltigen Pommes an und senken dabei die Oberflächenspannung: Das heiße Öl kann die Oberfläche des Lebensmittels benetzen und seine Wärme darauf übertragen. Das funktioniert gut, solange der Anteil der „Seifen“ am Öl nicht mehr als 17 bis 18 Prozent beträgt. Die gebrutzelten Kartoffelstäbchen bringen es – nach dem Abtropfen auf Küchenkrepp – auf 10 bis 13 Prozent Fettanteil. Steigt die Seifen-Konzentration darüber hinaus und überschreitet sie gar die 24-Prozent-Marke, dann wird der Kontakt Öl-Pommes zu intensiv. Die Folge: Die Pommes werden innen matschig oder hohl. Ihre Kruste saugt sich mit Fett voll. Solche Fritten bringen es auf bis zu 25 Prozent Fettgehalt.

Kompakt Wer sich vielseitig und abwechslungsreich ernährt, hat keinen Grund, Pommes frites aus seinem Speiseplan zu verbannen. Durch – vermeidbare – Fehler beim Frittieren kann der Fettgehalt von Pommes frites allerdings auf 25 Prozent steigen.

bdw-Community INTERNET

Info der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zu Trans-Fettsäuren www.dge.de/Pages/navigation/ fach_infos/bp0698.htm

Infos der Deutschen Gesellschaft für Fettwissenschaft

www.dgfett.de/

Belgische Homepage für Fritten-Versessene (in französischer Sprache)

www.frites.be/

Unverzichtbar für den echten Pommes-Fan: Holz-Fritten aus dem Erzgebirge www.erzi.de/katalog/p863.html

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