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Euklids Wohnzimmer

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Euklids Wohnzimmer

Nach vielen Jahren war ich wieder einmal in meiner Heimatstadt und bummelte durch das Viertel, in dem ich als Kind gewohnt hatte. In einem gepflegten Vorgarten sah ich einen alten Mann, der seine Rosenstöcke schnitt und mir irgendwie bekannt vorkam. Als er aufblickte und mich entdeckte, rief er mit knarrender Stimme: „Na, hat es dich auch mal wieder an den Ort deiner Schandtaten verschlagen?“ Diese Stimme kannte ich, und ich würde sie auch bis an mein Lebensende nicht vergessen. Sie gehörte Herrn Lampel, dem ehemaligen Mathematiklehrer und Schrecken der Klasse, der den Spitznamen Euklid trug. Seine große Leidenschaft war die Geometrie, und deshalb mussten wir bedauernswerten Schüler geometrische Sätze lernen, die in keinem Lehrplan auftauchten und von denen die Schüler anderer Lehrer nie etwas hörten. Mir sind Namen wie „Satz des Heron“, „Satz des Brahmagupta“ oder „Satz des Ptolemäus“ im Gedächtnis geblieben, ohne dass ich mich noch daran erinnern kann, was sie bedeuten. Ich trat an den Zaun und begrüßte meinen ehemaligen Lehrer. „Ich bin nicht mehr gut auf den Beinen und kann nicht lange stehen“, sagte Euklid. „Komm doch mit ins Haus. Meine Haushälterin wird uns einen Kaffee kochen.“ Euklid führte mich in sein Wohnzimmer. Während seine Haushälterin den Kaffeetisch deckte, trat er an ein kleines Regal, auf dem sauber aufgereiht und nach Jahren geordnet die damals von uns Schülern gefürchteten roten Büchlein standen, in denen Euklid Zensuren, Tadel und Anmerkungen notierte. Er zog eines dieser Büchlein heraus und blätterte darin. Dann sagte er: „ Da steht es: 5, 4, 5, 4–. Wenn ich nicht beide Augen zugedrückt und dir noch eine 4 gegeben hätte, wärst du sitzengeblieben.“ Unangenehm berührt sah ich zu Boden. Da fiel mir auf, dass das Parkett ein ungewöhnliches geometrisches Muster hatte. Holzplatten in verschiedenen Farbtönen bildeten unterschiedlich große Quadrate. Doch einige Stellen des Bodens waren seltsamerweise nicht mit Parkett, sondern mit Fliesen bedeckt. Ich sprach meinen alten Lehrer darauf an. „Ich hätte nicht erwartet, dass dir das auffallen würde“, sagte er. „Der Fußboden meines Wohnzimmers ist ein Rechteck und ich habe ihn mit elf Quadraten parkettieren lassen, die die Seitenlängen ein Fuß, zwei Fuß, drei Fuß bis hin zu elf Fuß haben. Alle Quadratseiten verlaufen parallel oder quer zu den Wänden.“ „Geht das denn genau auf?“, fragte ich. „Leider nicht“, erwiderte er. „Aber der Boden meines Wohnzimmers ist das kleinste Rechteck, in das alle diese elf Quadrate hineinpassen. Die frei gebliebenen Flächen des Bodens habe ich mit Tonkacheln fliesen lassen.“ Auf eine solche Schnapsidee kann nur ein Mathematiklehrer kommen, dachte ich, aber ich fragte höflicherweise: „Wie groß ist denn das geflieste Stück?“ „Das werde ich dir nicht verraten“, sagte Euklid mit erhobenem Zeigefinger, „sondern als Hausaufgabe mitgeben.“ Wissen Sie, wie viel Quadratfuß des Bodens nicht parkettiert, sondern gefliest waren?

So machen Sie diesen Monat mit

Teilnehmen kann jeder, außer den Mitarbeitern des Verlags und deren Angehörigen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Schicken Sie bitte Ihre Lösung (ausschließlich!) auf einer Postkarte bis zum 31. Mai 2011 an:

bild der wissenschaft, Kennwort „Cogito 5|11″

Ernst-Mey-Str. 8, 70771 Leinfelden-Echterdingen

Die Lösung und die Namen der Gewinner werden im August-Heft 2011 auf der Leserbrief-Seite veröffentlicht.

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Zu gewinnen

Unter den Einsendern der richtigen Lösung werden fünf Bücher ausgelost. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Der Buchpreis ist das Fischer-Taschenbuch „Die Wissenschaftslüge“ von Ben Goldacre. Darin entlarvt der britische Arzt und Medizinjournalist mit viel Wissen und Witz die pseudowissenschaftlichen Versprechungen von Homöopathie, Pharma- und Kosmetikindustrie und zeigt zugleich, was gute Wissenschaft von Scharlatanerie unterscheidet. Er erklärt außerdem, warum kluge Menschen dummes Zeug glauben, worauf der Placebo-Effekt beruht und welche Tücken in Statistiken stecken. Wer das Buch gelesen hat, wird skrupellose Geschäftemacher erkennen und nicht mehr auf zweifelhafte medizinische Therapieversprechungen hereinfallen. Mehr über das Buch erfahren Sie im Internet unter: www.fischerverlage.de

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
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E–Mail  〈[iml] f. 10 od. n. 15; kurz für〉 Electronic Mail, digitalisierte schriftliche Nachricht an einen anderen Teilnehmer innerhalb eines Computernetzwerks ● ein(e) ~ empfangen, lesen, beantworten, schicken; per ~ kommunizieren; seine ~s regelmäßig durchsehen; auf ein(e) ~ antworten [engl., ”elektronische Post, elektronischer Brief“]

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