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Gentechnik: Fluch und Segen

Allgemein

Gentechnik: Fluch und Segen
Der Streit über Klon-Kälber und Gentherapie. Die ethische Debatte hinkt hinter den rasanten Entwicklungen in den Labors her. Doch Naturwissenschaftler, Philosophen und Journalisten haben sich nun zu einer Aufholjagd aufgemacht und zahlreiche Bücher herausgebracht.

Das amerikanische Wissenschaftshistoriker Philip Kitcher beginnt sein Buch Genetik und Ethik mit einem Kapitel über „Erscheinungsformen menschlichen Leids“, in dem er die Situation schwerstbehinderter Kinder und Jugendlicher schildert. Die Tatsache, daß einige der jungen Patienten an Erbkrankheiten leiden, nimmt er zum Anlaß, Hoffnungen darauf zu wecken, daß in Zukunft solches Leid verhindert werden könnte, und bezeichnet Molekularbiologie und pränatale Diagnostik als wichtige Schlüssel dazu. Kitchers grundsätzlich positive Einstellung zu den meisten Zweigen von Genetik und Reproduktionsmedizin, etwa zu der in Deutschland stark umstrittenen und noch gesetzlich verbotenen Präimplantationsdiagnostik, ist damit klar. Zwar zeigt er auch die Schattenseiten, doch wie viele seiner Kollegen geht er davon aus, daß diese Entwicklung nicht mehr aufzuhalten ist und daß es die Aufgabe der Ethik nur sein kann, die Gesellschaft mit den Folgen zu versöhnen. Deutsche Leser wird der Amerikaner Kitcher vor allem mit der Feststellung, daß eine „gewisse Form der Eugenik unausweichlich“ ist und seiner Ansicht, daß „einige denkbare Verbesserungen“ in den menschlichen Genen „durchaus wünschenswert scheinen“ vor den Kopf stoßen. Doch die Auseinandersetzung mit der Diskussion im angelsächsischen Kulturkreis kann die deutsche Diskussion sicherlich bereichern. Problematisch ist, daß dieses Buch wegen der langen Übersetzungszeit wissenschaftlich auf dem Stand von 1996 ist. Der amerikanische Trendforscher Jeremy Rifkin gehört zu den stärksten Kritikern der Gen- und Biotechnologie. In Das biotechnische Zeitalter wendet er sich vor allem gegen die wirtschaftliche Vermarktung des Wissens um die Gene. Rifkin führt deutlich vor Augen, was heutzutage in den Labors möglich ist. Da setzten US-Wissenschaftler bereits 1993 einer Senfpflanze ein kunststoffproduzierendes Gen ein, in Florida entließen Forscher 1996 eine gentechnisch veränderte Milbe in die Freiheit, die schädlichen Insekten den Garaus machen sollte, und Firmen wie Transgenics planen, manipulierte Ziegen, Schafe oder Kühe in großem Maßstab Arzneimittel in ihrer Milch herstellen zu lassen. Hinter all diesen Entwicklungen steht laut Rifkin reine Geldgier, wobei der Mensch auf dem Weg in die „profitorientierte eugenische Gesellschaft“ selbst vor seinen Genen nicht halt mache.

Rifkin ist der Ansicht, daß es in Zukunft durchaus Alternativen zur Gentechnik gibt. Sein Ziel ist es, wie er schreibt, „einem besonnenen Dialog über das Für und Wider der neuen Biotechnologie Tür und Tor weit zu öffnen“. Sein Buch liefert dazu eine Fülle von Argumenten. Eine ähnlich umfangreiche Darstellung eines kompetenten Autors aus Deutschland hat lange gefehlt. Nun gibt es sie: Der junge Wissenschaftsjournalist und Mediziner Werner Bartens legt unter dem mißverständlich reißerischen Titel Die Tyrannei der Gene eine sehr ausgewogene und klare Analyse vor. In kurzen Kapiteln – von Zusammenfassungen am Ende jeweils auf den Punkt gebracht – behandelt er erschöpfend alle aktuellen Themen von der pränatalen Diagnostik über den Gentest auf Brustkrebs, vom genmanipulierten Mais bis zum Klonen. Dabei berichtet er über den neuesten Stand der Forschung, ohne den Leser mit zuviel molekularbiologischen Details zu verwirren. Bartens konzentriert sich auf die gesellschaftliche Wahrnehmung der Gentechnik und hat akribisch deutsche und internationale Zeitungen und Magazine untersucht. Es ist bestechend, wie er die Quellen für so manches hanebüchene Vorurteil oder völlig unbegründete Hoffnung entlarvt. In seinem letzten Kapitel geht der Autor noch einen Schritt weiter und beschreibt die „Genetisierung der Weltbilder“ in Geschichte, Kunst und Populärkultur. Die Verwendung der Begriffe „Klone“, „Gene“ und „Mutation“ ist inzwischen auch in völlig unwissenschaftlichen Zusammenhängen inflationär – wenn etwa die „Bunte“ bei Stefanie von Monaco ein „Unglücksgen“ diagnostiziert oder die FAZ von den Teilnehmern der Love Parade als „beatgeimpften Klonen“ spricht.

Genetik und Ethik

Philip Kitcher Genetik und Ethik Luchterhand 1998, DM 48,-

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Jeremy Rifkin Das biotechnische Zeitalter Bertelsmann 1998, DM 44,90

Werner Bartens Die Tyrannei der Gene Blessing 1999, DM 38,-

Susanne Liedtke

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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