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Olmeken -Die Gründerväter

Allgemein

Olmeken -Die Gründerväter
Man weiß weder, woher sie kamen noch, wo sie blieben. Seit 1500 v.Chr. errichteten sie die ersten Städte und Pyramiden Amerikas. Sie hatten eine Hieroglyphenschrift, die man aber nicht lesen kann. Sie meißelten riesige Köpfe aus Basalt und begruben ihre Kunstwerke. Die Olmeken sind das Volk der Fragezeichen.

Der Professor ist konsterniert. „So etwas macht man doch nicht!” Was Hanns Prem in Verwirrung stürzt, mutet heute in der Tat merkwürdig an: Mit Sorgfalt puzzelten die Künstler ein Mosaikbild aus fast 500 Serpentinitblöcken, fünf mal sieben Meter groß auf olivfarbenem Lehmboden – und schütteten es sofort zu.

„Es gibt keine rationale Erklärung dafür”, hadert der Bonner Altamerikanist mit den steinzeitlichen Schöpfern des Werkes. Mangels besseren Wissens, so der Forscher weiter, „rettet man sich in die Erklärung: Das war für irgendwelche transzendenten Wesen gedacht.” Jungfräulich beerdigt, war das Kunstwerk allein für diese Unirdischen reserviert. „So etwas taucht nur bei den Olmeken auf”, meint der Archäologe und charakterisiert die rätselhafte mesoamerikanische Kultur: „Das war eine sehr frühe, sehr raffinierte Gesellschaft.” Und eine, die mehr Fragen stellt als Antworten gibt.

Bekannt geworden sind die Olmeken durch ihre Porträtköpfe mit wulstigen Lippen, fallenden Mundwinkeln und toten Augen, aus hartem Basalt gearbeitet und bis zu drei Meter groß. Die ersten dieser melancholisch anmutenden Megaschädel wurden 1862 in den unwirtlichen Sumpfgebieten an der mexikanischen Golfküste südlich von Vera Cruz gefunden. Damit tauchte eine vergessene Hochkultur ins Licht, die nach heutigem Wissensstand zu den Begründern aller mesoamerikanischen Kulturen gehört. Die archäologische Spurensuche setzte allerdings erst sehr viel später ein, die meisten Erkenntnisse stammen aus den letzten 60 Jahren.

Erste Spuren haben die Olmeken schon vor 2000 v.Chr. hinterlassen. Zwischen 1200 und 400 v.Chr. lag ihre Blütezeit, mit Nachfolgern und Epigonen währte die Olmekenkultur bis zur Zeitenwende. San Lorenzo, die älteste Großsiedlung ist ab 1500 v.Chr. besiedelt und prunkt schon um 1200 v.Chr. mit städtischem Charakter und Zeremonialzentrum. Die Stadt lag auf einer künstlichen Erdplattform – 1200 mal 770 Meter groß, 12 Meter hoch, aufgeschüttet aus mindestens zehn Millionen Tonnen Erde: Herangeschleppt ohne Rad, Straße, Zugtiere, von Zigtausenden Menschen, die die Erdsäcke mit einem Stirnband trugen. Um 900 v.Chr. kam das – vermutlich gewalttätige – Ende von San Lorenzo: Die Stadt wurde verlassen, die Statuen mit großer Wut zerstört.

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Um diese Zeit steigt La Venta als Herrschafts- und Kultzentrum auf, die Ursprünge liegen auch hier weit im ersten Jahrtausend v.Chr. In dieser am besten dokumentierten olmekischen Stadt haben die Archäologen all das entdeckt, was sie in nahezu jeder mesoamerikanischen Kultur der kommenden Jahrhunderte wiederfinden: Die Architektur, den Kalender, die Hieroglyphen, den Ballspielplatz, die handwerklichen Techniken. Und die Zeremonialpyramide: 125 Meter Durchmesser, 31 Meter Höhe – ganz aus verschiedenfarbigem Sand und gestampfter Erde errichtet. Zwischen 400 und 300 v.Chr. wurde auch La Venta zerstört und die Kolossal-Köpfe dort wurden massiv und absichtlich beschädigt.

Zum zweiten – und wohl letzten – Mal wird La Venta heute zerstört: Quer über der einmaligen Kulturstätte liegt der Flugplatz der örtlichen Erdölraffinerie. Die Schwemmebene am Golf von Mexiko ist Erdölland, gezielt werden die antiken Siedlungshügel angebohrt, da sie sicher Erdöl anzeigen („Salzdome” ). „Wo die Ölleute hinkommen, bleibt nichts mehr übrig”, klagt Prof. Hanns Prem.

Die riesigen Basaltmonolithe für die stets körperlosen olmekischen Häupter stammten aus den 60 bis 100 Kilometer entfernten Las-Tuxtlas-Bergen und wurden auf ungeklärte Weise ins Schwemmland geschafft. Der Transport war eine Meisterleistung der olmekischen „Ingenieure”. Am Bestimmungsort wurde der Basalt mit Steinmeißeln, simplen Drillbohrern und Sand als „Schmirgelpapier” zu Plastiken umgeformt.

Wer nahm derlei Mühen auf sich? Woher kamen die Olmeken? Wer waren ihre Führer? „Das sind genau die Fragen, die uns die Olmeken leider nicht beantworten”, sagt Hanns Prem. Die Frage nach der Herkunft bedingt, dass eine Gruppe als Block und mit einem Zusammengehörigkeitsgefühl als „Volk” auftritt. „ Selbstverständnis aber können wir archäologisch nicht abfragen”, meint der Bonner Altertumsforscher. Auch waren in Mesoamerika „ die Menschen damals andauernd auf Wanderschaft und haben ständig neue Gruppierungen gebildet. Über den Begriff der Ethnie kommen wir nicht weiter.” Die Olmeken waren, beschränkt sich Prem, plötzlich da. Wobei „Olmeken” eine neuzeitliche Namensgebung ist, wie die Menschen der – wissenschaftlich La-Venta-Kultur genannten – Gruppe sich selbst bezeichnet haben, ist unbekannt. Eine starke Führung müssen die Olmeken gehabt haben, anders sind die Kolossalbauten und die Anstrengungen für Kunst und Kultur nicht zu erklären. Ob das nun ein „Häuptlingstum” (Prem), Göttliche Könige oder Priesterkönige waren, muss vorerst offen bleiben. Denn die Olmeken hatten zwar die „früheste voll funktionsfähige Schrift”, so Prem, es sind auch längere Texte erhalten, doch kennt man ihre Sprache nicht – kann also ihre Schrift nicht entziffern.

Nikolai Grube, Schriftkundiger und Maya-Experte, widerspricht seinem ehemaligen Chef an der Bonner Universität. „Die Olmeken hatten keine phonetisch lesbare Silbenschrift. Sie hatten ein ausgefeiltes Kommunikationssystem auf Hieroglyphenbasis, also eine Bilderschrift.”

Auch die allgemeine Lesart von den Olmeken als der „ Mutterkultur” ganz Mesoamerikas will Grube nicht teilen. „Die waren weder Vater noch Mutter, die waren Brüder. Es gibt da ganz deutliche zeitliche Überlappungen.” Die Zeittafel auf Seite 52 verdeutlicht das. Die Maya-Welt war sicher stark von den Olmeken geprägt, konzidiert Grube, aber „es hat im Guatemala-Tiefland eine eigenständige Maya-Kulturentwicklung gegeben.” Die kulturellen Einflüsse der Olmeken sind in ganz Mesoamerika, bis hin nach San Salvador und Nordmexiko, zu fassen. Für ein „ Olmeken-Reich” dagegen gibt es, zumindest bislang, keine zweifelsfreien Indizien. Mancher Betrachter olmekischer Kultur und Kunst möchte in ihnen deshalb – einmal mehr – ein friedliebendes, waffenfreies Volk sehen. Kolonien oder Handelsstützpunkte der Olmeken in weit vom Stammland entfernten Gebieten sprechen jedoch dafür, dass sie aktiv unterwegs waren – mit Handel und/oder Händeln. Mit ihrer verfeinerten Zivilisation werden sie den weitgehend bäuerlichen Nachbarn imponiert haben – und mit Taschenspielertricks: Religiöse oder politische Würdenträger trugen Hohlspiegel als Brustanhänger. Zum Feuerentzünden taugte der nicht, denn er hatte keinen Fokus, sondern eine Brenn„linie”. Aber wer sich einem Granden näherte, sah sich kopfstehend und verzerrt auf dessen Brust. Prof. Prem ist ob dieser Merkwürdigkeit nicht konsterniert: „Vielleicht war das tatsächlich der ganze Zweck.”

KompaktDie Olmeken sind der erste Impulsgeber für alle mesoamerikanischen Hochkulturen.

Seine Blütezeit hatte das Volk mit den rätselhaften Monumentalköpfen weit vor der Zeitenwende.

Die archäologischen Zeugnisse sind durch die Aktivitäten von Erdölfirmen gefährdet.

Michael Zick

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