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Warp-Antrieb und Wurmlöcher

Allgemein

Warp-Antrieb und Wurmlöcher
Albert Einsteins Relativitätstheorie verbietet überlichtschnelle Reisen nicht unbedingt. Ähnlich wie Raumschiff Enterprise könnten die Weltraumkreuzer der Zukunft über die Raumzeit surfen – oder förmlich durch die Dimensionen tunneln.

„Der Weltraum… Unendliche Weiten… Dies sind die neuen Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das viele Lichtjahre von der Erde entfernt unterwegs ist, um fremde Welten zu entdecken, unbekannte Lebensformen und neue Zivilisationen. Die Enterprise dringt dabei in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.“ Doch seit 1966, als die erste Staffel des von Gene Roddenberry verfassten und produzierten Weltraumepos über die TV-Schirme flimmerte, verfolgen Millionen „Trekkies“ zu Hause, was sich so abspielt in den unendlichen Weiten der fiktiven Zukunftswelt von Star Trek.

Und diesen Januar donnert die USS Enterprise hierzulande auch wieder durch die Kinos, bereits zum zehnten Mal. In Star Trek X „ Nemesis“ soll endlich Frieden geschlossen werden mit den Romulanern. Ob der lange hält, ist ungewiss, doch wenigstens auf die Technik der Enterprise ist meistens Verlass – von den Transporterstrahlen über die Photonen-Torpedos bis zum Warp-Antrieb. Auch sonst greift die Serie – wie Science-Fiction (SF) allgemein – tief in die Kiste der exotischen Physik: Wurmlöcher, Warp-Blasen, überlichtschnelle Tachyonen, Beamen, Zeitreisen, Extradimensionen und Paralleluniversen spielen immer wieder die heimliche Hauptrolle. Überraschend ist, dass all diese Begriffe auch in die physikalische Fachliteratur Einzug gehalten haben oder dort sogar früher schon existierten.

„Die Verbindung zwischen Science-Fiction und Wissenschaft führt in beide Richtungen. Die von der Science-Fiction präsentierten Ideen gehen ab und zu in wissenschaftliche Theorien ein. Und manchmal bringt die Wissenschaft Konzepte hervor, die noch seltsamer sind als die exotischste Science-Fiction“, schreibt Stephen Hawking, Professor an der University of Cambridge. Der weltberühmte Theoretische Physiker und Mathematiker tauchte sogar einmal als Ehrengast in einer Star-Trek-Folge auf: Er durfte auf dem Holodeck mit Isaac Newton, Albert Einstein und dem Androiden Data pokern – und gewinnen. „ Science-Fiction wie Star Trek ist nicht nur Unterhaltung, sondern erfüllt auch einen ‚ernsten‘ Zweck: Sie erweitert die menschliche Vorstellungskraft“, sagt Hawking.

Viele andere Physiker stehen der Science-Fiction ebenfalls sehr aufgeschlossen gegenüber. „Ich glaube, die Verbindung ist ganz einfach: Wir werden alle von denselben Fragen inspiriert“, sagt Lawrence Krauss, Physik-Professor an der Case Western University in Cleveland, Ohio. „Während jedoch die beste Science-Fiction unser Interesse erregt, indem sie die Dramatik und die Spannung in den Was-Wäre-Wenn-Fragen einfängt, lässt sie die Antworten für gewöhnlich offen. Die moderne Wissenschaft hat den Schlüssel zum Wissen, was möglich ist und was nicht.“ Um diese Spannung zwischen Science und Fiction geht es in zwei erfolgreichen populärwissenschaftlichen Büchern von Krauss: „Die Physik von Star Trek“ und „Jenseits von Star Trek“ (siehe Interview auf Seite 52). Und Gregory Benford, Physik-Professor an der University of California in Irvine, hat sich sogar zu einem der angesehensten SF-Schriftsteller der Gegenwart gemausert, obwohl oder gerade weil er die „echte“ Physik durchaus ernst nimmt – selbst wenn er den neuen Teilchenbeschleuniger RHIC schon mal ein ganzes Universum erzeugen lässt, dessen rasante Entwicklung man auch noch durch ein Wurmloch betrachten kann (bild der wissenschaft 12/2000, „Die Urknall-Maschine“). SF-Ideen wie das Nachdenken über Zeitreisen „bringen uns dazu, die extremen Grenzen der Physik auszuloten und die Reichweite der Naturgesetze zu erkunden“, sagt John Richard Gott III, der als Astrophysik-Professor an der Princeton University in New Jersey so manche kühne Idee entwickelt hat, die SF-Autoren neidisch machen könnte – zum Beispiel kosmische Zeitmaschinen, Tachyonen-Universen und eine Zeitschleife als Urknall-Modell. Lawrence Krauss sieht es ähnlich: „In unserem Universum herrscht ein Grundsatz, den ich meinen Studenten oft mit diesen Worten beschreibe: Was nicht ausdrücklich verboten ist, kommt garantiert vor.“ Oder mit den Worten des Androiden Data: „Was geschehen kann, wird auch geschehen.“

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Physik hat sehr viel mit Fantasie und kühnen Ideen zu tun. Dies bedeutet jedoch nicht, dass technisches Wortgeklingel oder waghalsige Einfälle an sich schon Wissenschaft wären. Doch wenn man auf Grundlage der besten Theorien aller Zeiten spekuliert – insbesondere der Relativitäts- und Quantentheorie, die dem „ gesunden Menschenverstand“ nicht selten selbst schon als Science-Fiction erscheinen –, kann man sehr wohl etwas über die Reichweite und Grenzen der Naturgesetze lernen. „Die Wunder der Allgemeinen Relativitätstheorie erlauben es, dass alle möglichen unglaublichen Dinge im Prinzip existieren können, vom Warp-Antrieb bis zur Zeitreise“, ist Lawrence Krauss überzeugt. „ Das allein berechtigt schon, darüber nachzudenken, und ich verbringe einen Teil meiner Forschungszeit mit Versuchen, in dieser Hinsicht ein Stück weiterzukommen.“

Tatsächlich sind die „Designer-Raumzeiten“, die Physiker in den letzten Jahren entworfen haben, mindestens so spannend wie viele Science-Fiction-Filme. Als sei sie aus Teig, wird dabei die Raumzeit manipuliert – zumindest in der Theorie. Und so erscheinen in renommierten Physik-Fachzeitschriften inzwischen sogar Arbeiten zum Warp-Antrieb.

Begonnen hat damit 1994 der mexikanische Physiker Miguel Alcubierre, der zu der Zeit an der University of Wales im britischen Cardiff arbeitete und später ans Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam ging. Er ließ sich weniger von seiner Fantasie als von den harten Gesetzen der Allgemeinen Relativitätstheorie leiten. Tatsächlich gibt es Lösungen von Einsteins Feldgleichungen, die das Funktionsprinzip eines Warp-Antriebs beschreiben können. Und die komplexe Mathematik dahinter lässt sich sogar in einfachen Worten anschaulich machen.

Wenn es gelänge, eine Warp-Blase zu erzeugen und gezielt zu beeinflussen, wäre die Reise zu den Sternen greifbare Realität. Denn die Blase kann sich gleichsam durch die Raumzeit graben, indem sie diese so deformiert (von Englisch „to warp“: verzerren, krümmen), dass eine kosmische Abkürzung entsteht. Dazu muss der Raum in der Blasenwand vor dem Raumschiff gestaucht und hinter ihm gedehnt werden, während er außerhalb und innerhalb der Blase unangetastet bleibt. „Mit einer rein lokalen Expansion der Raumzeit hinter dem Raumschiff und einer gegenüberliegenden Kontraktion vor ihm sind – von außen betrachtet – Überlichtgeschwindigkeiten möglich“, schrieb Alcubierre. „Das heißt nicht, dass sich die Beobachter im Schiff überlichtschnell bewegen“ – denn innerhalb der Blase wird das Licht ja gleichsam mitgenommen. Aber von außen betrachtet tun sie es. „Das Raumschiff wird von der Erde weggedrückt und durch die Raumzeit selbst zu dem fernen Stern gezogen.“ Es gleitet wie ein Surfer auf der Welle durch die flexibel gestaltete Raumzeit. Seine Geschwindigkeit hängt nur von der Expansion und Kontraktion der Warp-Blase ab. „Man kann sich mit Überlichtgeschwindigkeit bewegen und dennoch stillsitzen“, bringt es Lawrence Krauss auf den Punkt. Man würde also keinerlei Beschleunigungskräfte spüren – ähnlich wie ein Surfer, der im Prinzip auf der Welle steht. Auch würde die Eigenzeit mit der am Start- und Zielort synchronisiert bleiben. „Das Raumschiff unterliegt keiner Zeitdilatation“, betont Alcubierre. Der Warp-Antrieb kann also vermeiden, dass auf der Erde viel mehr Zeit vergangen ist als im Raumschiff, wenn dieses zurückkehrt, was bei fast lichtschnellen Flügen der Fall wäre. Krauss: „Dann erlaubt uns die Allgemeine Relativitätstheorie doch, den Kuchen zu essen und ihn gleichzeitig zu behalten.“

Der Preis für einen Warp-Antrieb ist freilich hoch – vielleicht sogar unbezahlbar. Denn für die Erzeugung der Warp-Blase ist exotische Materie mit negativer Masse beziehungsweise Energiedichte nötig, die keine anziehende, sondern eine abstoßende Gravitationswirkung hat. Niemand weiß, ob es so etwas im Universum gibt oder wie man ausreichende Mengen davon herstellen könnte. Im Labor ist es immerhin möglich, negative Energiedichten zu erzeugen und zu messen (siehe Kasten „ Negative Energie“).

Der große Rückschlag für Alcubierre und die Trekkies folgte 1996, als Larry Ford und sein Doktorand Mitchell Pfenning von der Tufts University in Medford, Massachusetts, ausrechneten, dass eine kleine Spritztour der Enterprise eine kosmische Energiekrise zur Folge hätte. Denn der Heisenbergschen Unschärferelation zufolge besteht ein Zusammenhang zwischen Energie und Zeit. Ford hatte entdeckt, wie sich dieser Quanteneffekt bei der Anwesenheit exotischer Materie niederschlägt, und mit Pfenning berechnet, welche Energien nötig sind, um eine Warp-Blase längere Zeit stabil zu halten. „Es gibt eine unüberwindbare Hürde. Für eine Warp-Reise benötigt die Enterprise etwa zehn Milliarden Mal mehr Energie, als die gesamte sichtbare Masse des Universums hat“, lautete Pfennings Fazit – und das, obwohl die Wand der Warp-Blase nur 10-31 Zentimeter dick zu sein braucht. „Ich denke nicht, dass es jemandem gelingt, einen Ausweg aus diesem Problem zu finden“, ergänzte Ford.

So schnell wollte Alcubierre jedoch nicht aufgeben: „Ford und Pfenning gehen von einem Raum aus, der zuvor nicht gekrümmt ist, und wir wissen noch zu wenig über die Quantengravitation – vielleicht kann die ja helfen.“ Bis zu einer solchen Vereinigung von Quanten- und Relativitätstheorie ist der Weg zwar noch weit und steinig, aber das hält die Physiker nicht davon ab zu analysieren, was sich mit den vorhandenen Gleichungen machen lässt. Und tatsächlich sind unter bestimmten Voraussetzungen nur zehn Kilogramm exotische Materie für eine Warp-Blase nötig, berechnete Sergei Krasnikov vom Pulkovo-Observatorium im russischen St. Petersburg vor wenigen Monaten.

Doch das bedeutet noch lange kein Freiflugticket. Denn die Fahrt zu den Sternen könnte zur Todesfalle werden. Der Weltraum ist nicht völlig leer, und bei weiten Strecken besteht das Risiko einer Kollision mit kosmischem Staub oder gar kleinen Felsbrocken. Schlimmer noch: Die Warp-Blase bündelt eintreffende Strahlung auf das Schiff, und die hohe Geschwindigkeit presst die Wellenlängen so extrem zusammen, dass die Blauverschiebung riesig wird.

Mit anderen Worten: Die Strahlung ist dann so energiereich, dass Captain Picard und seine Mannschaft sofort geröstet würden. „ Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, dachte sich wohl Chris Van Den Broeck von der belgischen Universität Leuwen. Nach einigem Grübeln kam er auf die Idee, dass eine zweite Raumkrümmung bei der Blase als Schutzschild dienen könnte – die Broeck-Metrik war entdeckt. Sie hat einen erfreulichen Nebeneffekt: Für sie sind nur wenige Sonnenmassen an exotischer Materie nötig. „Das heißt nicht, dass mein Vorschlag realistisch ist, denn noch immer braucht es unvernünftig hohe Energiedichten“, gibt der Physiker zu. Doch es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings gibt es auch eine schlechte Nachricht: Die Blase erscheint von außen – nicht von innen! – mikroskopisch klein. Das Problem ist offensichtlich und viel gravierender als bei den Modellbau-Schiffen, die ihre Segel in den Flaschen blähen: Wie bekommt man ein Raumschiff in eine solche Broeck-Warp-Blase hinein und ohne Schaden auch wieder heraus, wenn deren Öffnung nur 10-30 Zentimeter groß ist?

Jose Natário von der Technischen Universität Lissabon hat vor ein paar Monaten noch mehr Salz in die Wunden der Trekkies gestreut. Zwar zeigte er, wie der Warp-Antrieb sogar ohne Expansion und Kontraktion der Raumzeit auszukommen vermag – „die Warp-Blase könnte einfach durch den Raum gleiten“ –, aber der Antrieb taugt nicht für große Sprünge. „Über die technische Realisierung braucht man gar nicht mehr nachzudenken. Der Warp-Antrieb ist schon in der Theorie unmöglich.“

Das Problem ist Natário zufolge der Ereignishorizont, der durch die Überlichtgeschwindigkeit entsteht und die Warp-Blase umgibt. Er wirkt wie eine Barriere für kausale Wechselwirkungen und somit auch für jegliche Kommunikation. „Es wäre unmöglich, Signale aus der Blase herauszubekommen. Deshalb könnte man physikalische Vorgänge außerhalb der Blase nicht vom Raumschiff aus steuern.“ Der Horizont verläuft sogar innerhalb der Warp-Blase, so dass die Reisenden keine Signale zu dem Teil der Blasenwand vor ihnen senden könnten. Dadurch ist es ihnen aber unmöglich, zu steuern oder zu bremsen. „Man kann die Blase nicht einmal vom Schiff aus erzeugen“, sagt Natário. Auch würde sich am Ereignishorizont alle Strahlung stauen, die von dem Raumschiff selbst abgegeben und womöglich auf eine unendliche Energiedichte zusammengequetscht wird. Unter solch extremen Bedingungen brechen die Gesetze der Physik, wie wir sie kennen, zusammen.

„Das ist der Alptraum für Ingenieure“, kommentiert Michael Pfenning, der inzwischen an der University of York arbeitet, und hofft, dass sich die Strahlung am Horizont doch anders verhält. Wenn nicht, wäre der Warp-Antrieb immer noch nützlich für Reisen mit fast Lichtgeschwindigkeit – zu wenig zwar, um mit Kirk & Co zu konkurrieren, aber immer noch schnell genug, um andere Welten binnen weniger Jahrzehnte zu erreichen.

Doch vielleicht lässt sich die Warp-Blase ja auch von außen erzeugen und lenken? „Das bedeutet allerdings, dass zunächst jemand zum Reiseziel mit Unterlichtgeschwindigkeit hinfliegen müsste“, sagt Pfenning. „Damit der Raum vor einem kollabiert, muss man dafür sorgen, dass es überall dort die richtige Materieanordnung gibt. Zu diesem Zweck muss man mindestens ein Signal den ganzen Weg durch diesen Raum schicken“, ergänzt Krauss. „So könnte man zwar im Prinzip beliebig schnell reisen, wenn die Warp-Front vor einem erst einmal angefangen hat zu kollabieren, doch der Countdown zum Start würde 1000 Jahre dauern.“

In eine zufällig vorbeifliegende Warp-Blase einzusteigen, scheint nicht ratsam, selbst wenn sich so etwas realisieren ließe. Denn das wäre ein kosmisches Trampen zu unbekannten Gestaden ohne Rückflugticket. Und einen ganzen Warp-Schlauch vom Start bis zum Ziel zu legen – eine Art Überlicht-Untergrundbahn: eine Röhre aus modifizierter Raumzeit, wie sie Sergei Krasnikov vorgeschlagen hat –, würde es auch erforderlich machen, erst einmal mit Unterlichtgeschwindigkeit dorthin zu fliegen. Doch selbst dann müsste die Schnellbahntrasse wohl Utopie bleiben. Krasnikov hat nämlich ausgerechnet, dass für einen Warp-Schlauch bis zum nächsten Stern 1044 Sonnenmassen an negativer Masse benötigt würden. Zum Vergleich: Im sichtbaren Universum gibt es „ nur“ 1022 (positive!) Sonnenmassen Materie.

Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, und die Trekkies haben das große Ziel eines ESAA-Antriebs keineswegs aufgegeben. Mit viel Einfallsreichtum basteln sie an immer neuen Designer-Raumzeiten, denken über Miniatur-Modellantriebe mit Hilfe exotischer Materiezustände wie des Bose-Einstein-Kondensats im Labor nach und hoffen, dass die Naturgesetze es doch ermöglichen, mit Quanteneffekten und raffinierten Metriken den Energieverbrauch eines Warp-Antriebs zu verringern und seine prinzipielle Praktikabilität nachzuweisen. Der Name ist Programm: Die Abkürzung ESAA steht für „Ex Somnium Ad Astra“: vom Traum zu den Sternen.

Aber selbst wenn der Warp-Antrieb ein schöner Traum bleiben sollte, ist der Weg zu den Sternen noch lange nicht versperrt. Andere und sogar mehr Erfolg versprechende Möglichkeiten bieten Wurmlöcher. „Ein Wurmloch ist eine tunnelartige Verbindung durch die Einstein’sche Raumzeit, vergleichbar mit den Kanälen, die ein Wurm durch einen Newton’schen Apfel bohrt“, erklärt William A. Hiscock schmunzelnd. „Bislang sind Wurmlöcher nur theoretische Konstrukte, aber sie helfen uns, mögliche Randbedingungen der Allgemeinen Relativitätstheorie auszuloten und Effekte einer künftigen Theorie der Quantengravitation zu erschließen“, führt der Physik-Professor an der Montana State University in Bozeman weiter aus. Doch wenn es makroskopische stabile Wurmlöcher gäbe, würde das auch ungeahnte praktische Möglichkeiten eröffnen – Reisen in ferne Regionen unseres Universums oder gar in andere Universen. Denn Wurmlöcher sind kosmische Abkürzungen.

„Sie sind im Detail von Experten studiert worden und würden, wenn sie existierten, so ähnlich aussehen wie das Wurmloch in ,Star Trek: Deep Space 9‘ „, sagt Matt Visser, Physik-Professor an der Washington University in St. Louis. „Aber man sollte nicht vergessen, dass die Filme zur Unterhaltung da sind und man keine konkreten Lehren für die Physik daraus ziehen kann.“ Immerhin sind Wurmlöcher die bislang besten Kandidaten für überlichtschnelles Reisen. Visser: „Die gute Nachricht nach über zehn Jahren harter Forschungsarbeit ist, dass man nicht beweisen kann, dass sie nicht existieren. Die schlechte Nachricht ist, dass sie, wenn sie überhaupt existieren, riesige Mengen an negativer Energie brauchen, damit sie offen und befahrbar bleiben. Obwohl wir im Labor geringe Mengen erzeugen können, erscheint es hoffnungslos, mit gegenwärtigen Technologien ein großes Wurmloch offen zu halten.“ Um beispielsweise den Schlund eines Wurmlochs mit nur einem Meter Radius zu stabilisieren, braucht man ein negatives Energieband, das nur 10-21 Meter dick sein darf – ein Millionstel des Durchmessers eines Protons. Dazu wäre jedoch alle Energie nötig, die zehn Milliarden Sterne in einem Jahr erzeugen. Und das Hundertfache davon wäre für die Stabilisierung eines hundertmal größeren Schlunds erforderlich.

Seit bild der wissenschaft ausführlich über die kosmischen Schlupflöcher berichtete (7/1998, „Schleichwege durchs Universum“ ), haben Theoretiker beachtliche Fortschritte erzielt. So errechnete Sergei Krasnikov vom Pulkovo-Observatorium in St. Petersburg, dass ein Wurmloch die exotische Materie selbst erzeugen könnte, „und zwar in ausreichender Menge, um es für Reisen hinreichend groß zu machen“.

Ein brasilianisches Physiker-Team in Rio de Janeiro um José Martins Salim fand vor wenigen Monaten, dass nicht einmal negative Energie notwendig ist, sondern auch magnetische Monopole ein Wurmloch stabilisieren könnten. Solche isolierten Süd- und Nordpole sind vermutlich kurz nach dem Urknall entstanden. „Mit einem Monopol ließe sich der negative Druck für ein Wurmloch erzeugen“, sagt Salim. „Und ein befahrbares Wurmloch ließe sich allein mit einem Magnetfeld aufrecht erhalten.“

Ebenfalls letztes Jahr zeigten Sean A. Hayward von der Ewha Womans University in Seoul, Korea, und Hisa-aki Shinkai vom Riken-Institut of Physical and Chemical Research in Wako, Japan, mit detaillierten Computersimulationen, dass eine enge Verwandtschaft von Wurmlöchern mit Schwarzen Löchern besteht: Wenn zu viel Materie hineinstürzt oder sich ihre negative Energie zerstreut, kollabieren Wurmlöcher rasch zu Schwarzen Löchern. Und wenn auf zwei gegenüberliegende Seiten eines Schwarzen Lochs genug so genannte Geisterstrahlung aus negativer Energie trifft, kann es vorübergehend in ein – sogar passierbares – Wurmloch umgewandelt werden. Mit dem Mechanismus der Inflation – einer überlichtschnellen Raumausdehnung, die einst unser Universum groß gemacht haben soll – wären auch Vergrößerungen mikroskopischer Wurmlöcher denkbar. Sie entstehen und vergehen ständig auf den kleinsten Skalen der Natur aufgrund quantenphysikalischer Ereignisse, glauben Stephen Hawking und andere Physiker. Eine solche Inflation kann sogar natürlicherweise geschehen – die Schwierigkeit wäre dann nur, sie rechtzeitig zu stoppen.

„Das Studium der Wurmlöcher ist eine ernsthafte Angelegenheit“ , sagt Hayward. „Denn es erweitert unser Verständnis von der Schwerkraft, wenn die üblichen Energiebedingungen nicht erfüllt sind, etwa wegen Quanteneffekten wie Hawking-Strahlung und Casimir-Effekt, und damit lassen sich auch alternative Gravitationstheorien erkunden, etwa die Bran-Weltmodelle der Stringtheorie.“ Was uns heute noch exotisch erscheint, an das haben wir uns vielleicht morgen schon gewöhnt. „Wissenschaft kann seltsamer sein als Science-Fiction. Schwarze Löcher sind inzwischen allgemein akzeptierte astrophysikalische Realitäten, während befahrbare Wurmlöcher als unphysikalische theoretische Kuriositäten abgestempelt werden, wie einst Schwarze Löcher. Die duale Natur beider erfordert eine neue Sicht. Wurmlöcher sind lediglich Schwarze Löcher mit negativer Energiedichte.“

Selbst bei äußerster Beanspruchung des Warp-Antriebs – und der tief gerunzelten Stirn des Chefingenieurs der ersten Stunde, Montgomery Scott (,Scotty‘) – erreichte die Enterprise „nur“ Warp 9,6: Die 1909fache Lichtgeschwindigkeit (Warp 10 bedeutet unendlich schnell, Warp 5 verordnet die galaktische Verkehrspolizei). Das ist immer noch lahm verglichen mit einem theoretisch nahezu unendlich schnellen Tachyonen-Triebwerk und der harten Physik unserer Zeit. Wenn ein Warp-Antrieb möglich wäre, könnte man damit entgegen Star Trek beliebig schnell durchs All kreuzen. Nur ist das ein sehr großes „Wenn“.

„Ich glaube, dass diese Dinge niemals von praktischer Bedeutung für die Raumfahrt sein werden, obwohl sie im Prinzip durchaus möglich sind“, räumt Lawrence Krauss ein. Doch das ist wohl gar nicht so wichtig. „Unsere Aufmerksamkeit auf irdische Dinge zu beschränken – das würde bedeuten, dem menschlichen Geist Fesseln anzulegen“, schreibt Stephen Hawking. Q, der schier allmächtige und rätselhafte Schelm der Star-Trek-Serie, drückt es ganz ähnlich aus: „Es geht darum, die unbekannten Möglichkeiten der Existenz zu kartografieren.“

Und wer weiss, was in den unendlichen Weiten noch alles geschehen kann… In ihrem 1996 initiierten „Breakthrough Propulsion Physics Program“ hat sich die US-amerikanische Weltraumbehörde NASA jedenfalls offen gegenüber vielen spekulativen Ideen gezeigt. In dem am Glenn Research Center in Cleveland – unweit von Krauss‘ Büro – angesiedelten Projekt wird mit einem Millionen-Dollar-Etat über noch so verrückt erscheinende Möglichkeiten nachgedacht. Neben Supraleitung, Antigravitation und allerhand Quanten-Beamen sind auch Wurmlöcher und Warp-Antriebe ein Thema. „Wir suchen nach den ultimativen Durchbrüchen in der Weltraumfahrt“, sagt Marc G. Millis vom Glenn Research Center.

Um 1900 hat der amerikanische Mathematiker, Physiker und Astronom Simon Newcomb eine ganze Reihe von Artikeln publiziert, in denen er behauptete, dass Maschinen, die schwerer als Luft sind, niemals fliegen könnten. Das sei „so klar bewiesen, wie man ein physikalisches Faktum nur beweisen kann“. Wenige Jahre später haben Orville und Wilbur Wright gezeigt, dass das Gegenteil wahr ist.

Rüdiger Vaas

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