Wenn ein gebrochener Knochen nicht heilen will, dann nehme man: einen Hammer. Mit ihm schlage man den Knochen vollends in Stücke und harre der wundersamen Genesung. So paradox es klingt, das Rezept hilft – auch wenn der „Hammer“ in der medizinischen Realität eine High-Tech-Maschine namens Lithotripter ist, die mit knallhartem Ultraschall zuschlägt.
Die Ultraschall-Methode, genannt extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) oder Lithotripsie, ist vor 20 Jahren entwickelt worden, um Nierensteine ohne die sonst nötige Operation aus dem Nierenbecken zu entfernen. Der Lithotripter schießt dazu außerhalb des Körpers fokussierte Schallimpulse auf den Stein ab, die ihn so durchrütteln, daß er zerbröselt. Der Patient scheidet die Krümel danach mit dem Urin aus. Inzwischen werden auch Steine in der Galle und der Bauchspeicheldrüse mit dieser Methode zerlegt – und neuerdings Knochen. Bei ihnen ist allerdings das Ziel, den Heilungsprozeß anzuregen. An der Ruhr-Universität Bochum, wo eine Arbeitsgruppe unter Dr. Gerald Haupt seit 1991 an dem Verfahren arbeitet, wurde es schon an mehr als 60 Patienten erprobt.
Wenn ein Knochenbruch nur schlecht verheilt, ist meist fehlender „Kallus“ schuld. So heißt der natürliche Knochenzement, der in den Bruchspalt wächst und dort zu fester Knochensubstanz verhärtet. In der Regel schafft das die Natur allein. Wo aber glatte Bruchflächen und schlechte Durchblutung die Kallusbildung hemmen, so die Überlegung der Bochumer Ärzte, könnte man die Heilung womöglich mobilisieren, indem man die Knochensubstanz buchstäblich mürbe klopft. In den aufgelockerten Knochenschutt kann Blut einsickern – und damit sprießt auch der Kallus.
Der Erfolg gibt den Ärzten recht: Bei 33 der ersten 37 Patienten mit sogenannten Pseudoarthrosen – über Monate und Jahre nicht ausheilenden Knochenbrüchen – kam die Kallusbildung schon nach einer einzigen Stoßwellen-Behandlung in Gang. Das Ergebnis ist um so eindrucksvoller, als man bei allen Patienten zuvor erfolglos versucht hatte, den Knochen mit Schraubplatten (Osteosynthese) oder Knochenspan-Transplantaten (Spongiosa-Plastik) zu fixieren.
Solche konventionellen Operationen sind für den Patienten auch immer mit größeren Schmerzen verbunden als die Stoßwellentechnik. Inzwischen wagt man sich mit diesem Verfahren deshalb sogar an entzündete Knorpel- und Sehnenverletzungen heran. Die heilen nicht nur rascher, auch die Schmerzen werden schneller gelindert.
Der Grundgedanke, im Zielgewebe eine Art Prellungserguß zu erzeugen und damit seine Regeneration anzustoßen, bleibt dabei derselbe. Inzwischen hat die Bochumer Methode Furore gemacht: Mehrere Universitätskliniken in Deutschland, Österreich und der Schweiz praktizieren sie ebenfalls. Wie sich die so geheilten Knochen und Knorpel aber nach ein paar Jahren verhalten, dazu fehlen bei dieser neuen Behandlungsform noch die Ergebnisse.
medinfo medien
Buch Dynamische Osteosynthese Springer, Berlin 1995 DM 98,-
Die Stoßwelle – Forschung und Klinik Attempto, Tübingen 1995 DM 78,-
Christian Lauritzen/Helmut W. Minne Osteoporose – Wenn Knochen schwinden Ursachen, Krankheitszeichen, Vorbeugung und Behandlung Trias, Stuttgart 1990 DM 24,80
Video Die Knochen (Serie „Unser Körper“, Teil III) Komplett-Video-Verlag, München 1994, 45 Min. DM 59,95
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Dr. Roland Schleberger Orthopädische Klinik der Ruhr-Universität Bochum St. Josefs-Hospital Gudrunstr. 56 44791 Bochum Tel.: 0234 – 509 25 16
Helmut L. Karcher