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Das geheime Leben der Erdkrustenmikroben

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Das geheime Leben der Erdkrustenmikroben
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Kilometertief im Gestein tummeln sich trotz widriger Bedingungen zahlreiche Mikroorganismen. Foto: Wikipedia
Trotz widriger Bedingungen gibt es im Gestein der Erde eine unerwartete Vielfalt an Lebewesen. Diese Mikrobengemeinschaften existieren dort viele Millionen Jahre lang und ernähren sich von nichts als Wasserstoff und Sauerstoff, die bei der Spaltung von Wasser entstehen. Erst langsam kommen Wissenschaftler dahinter, wo diese ungewöhnlichen Lebensgemeinschaften überall gedeihen und unter welchen Bedingungen sie besonders gut wachsen.

Es ist nicht gerade ein reich gedeckter Tisch, den die Natur in der Tiefe der südafrikanischen Mponeng-Goldmine, 2.700 Meter unter der Erdoberfläche, zu bieten hat. Dort in der Dunkelheit gibt es nichts als Wasser, Gestein und ein bisschen radioaktive Strahlung. Doch was für die meisten Lebewesen über kurz oder lang den Tod bedeuten würde, reicht einer ungewöhnlichen Lebensgemeinschaft von Mikroorganismen problemlos zum Leben: Seit zwanzig Millionen Jahren existiert das Kollektiv völlig abgeschnitten von Sonnenlicht und Luft der Außenwelt im sechzig Grad heißen salzigen Wasser in den Hohlräumen der Felsen.

Die winzigen Minenbewohner nutzen geschickt das wenige aus, was ihre Heimat ihnen bietet, berichtet das Magazin „bild der wissenschaft“ in seiner Juni-Ausgabe: Sie ernähren sich von Wasserstoff, der durch die natürliche radioaktive Strahlung aus Wasser entsteht, und nutzen zum Atmen Sulfate, die sich aus dem Sauerstoff des Wassers und Schwefelsalzen im Gestein bilden. Natürlich hat diese genügsame Lebensweise auch ihren Preis, denn die Mikroben schaffen es nur alle vierzig bis dreihundert Jahre, sich einmal zu teilen.

Trotz dieser Einschränkungen sind die Minenmikroben mit ihrer Vorliebe für unterirdische Lebensräume nicht alleine. Immer klarer kristallisiert sich heraus, dass die obersten Kilometer der Erdkruste von Leben geradezu wimmeln, und mittlerweile glauben viele Forscher sogar, dass die Mehrheit aller bakterienartigen Mikroorganismen im Inneren der Erde, einer „tiefen Biosphäre“, lebt. Zwischen zehn und dreißig Prozent der gesamten Biomasse macht nach Schätzungen allein der von ihnen gespeicherte Kohlenstoff aus.

„Es erstaunt schon, dass die tiefe Biosphäre kein exotischer Lebensraum ist, sondern einen großen Teil des Lebens auf der Erde beherbergt“, kommentiert Bo Barker Jørgensen, Direktor des Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie. Dabei sind es nicht nur wassergefüllte Gesteinshöhlungen, in denen sich die Mikroben breitgemacht haben: Sedimente am Meeresgrund, Erdölfelder, Basaltgesteine und Salzstöcke sind ebenfalls besiedelt. Voraussetzungen dafür sind lediglich das Vorhandensein von Wasser und eine Temperatur, die unter 113 Grad Celsius liegt. Darüber scheinen selbst die widerstandsfähigsten Mikroorganismen keine Chance mehr zu haben.

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Die Entdeckung der Lebensvielfalt im Inneren der Erde ist jedoch nicht nur faszinierend – sie zwingt Geologen außerdem zu einem Umdenken: Viele geologische Prozesse, die bislang auf rein chemische Vorgänge zurückgeführt werden, sind nach neueren Erkenntnissen wohl eigentlich die Folgen mikrobiologischer Tätigkeiten. „Die Mikroben arbeiten zwar langsam, aber über geologische Zeiträume gesehen haben sie einen großen Einfluss auf die Stoffkreisläufe der Erde“, erklärt Barker Jørgensen.

So geht beispielsweise das Methanhydrat, das an vielen Stellen den Meeresgrund durchzieht, auf das Konto von Bakterien: Es entsteht als Abfallprodukt, wenn die im Meeresboden lebenden Einzeller organische Stoffe verdauen. Andere Mikroorganismen brauchen nicht einmal so komplexe Stoffe, um Methan herzustellen. In einem schwedischen Bergwerk etwa haben Wissenschaftler drei Mikrobengruppen entdeckt, die im Granit leben und eine unterirdische Wasserstoff-Wirtschaft betreiben, wie es „bild der wissenschaft“ formuliert: Eine der Gruppen setzt Wasserstoff und Kohlendioxid so zusammen, dass Acetate, die Salze der Essigsäure entstehen. Diese wiederum werden von einer zweiten Bakteriengruppe zu Methan umgebaut. Eine dritte Gruppe schließlich produziert Methan direkt aus Wasserstoff und Kohlendioxid.

Besonders gut scheinen solche Mikroorganismen ausgerechnet dort zu gedeihen, wo die Erde am ungemütlichsten ist, nämlich in geologisch aktiven Zonen, in denen das Gestein immer wieder durch Erdbeben aufgerissen wird. Der Grund: Die Gesteinsoberflächen, die durch die Beben entstehen, sind chemisch sehr aktiv und spalten unter anderem Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff – ideale Bedingungen also für die Lebewesen, die von genau diesen Elementen leben.

In einigen Fällen konnten Forscher diese Wirkung von Erdbeben sogar bereits messen. So stieg im Herbst 2000 in einer Mineralquelle im Vogtland beispielsweise die Methankonzentration plötzlich um das Achtfache an, nachdem es einige kleinere Beben in der Region gegeben hatte – eine Veränderung, die die Wissenschaftler auf eine erhöhte Stoffwechselaktivität der winzigen unterirdischen Bewohner zurückführen.

Doch obwohl immer mehr über das geheime Leben der Erdkrustenmikroben bekannt wird – die Organismen selbst bleiben ziemlich rätselhaft, schon allein deswegen, weil sie sich im Labor nur extrem schlecht kultivieren lassen. Zu lange brauchen sie für eine einzige Teilung und zu wenig wissen die Forscher noch über ihre Lebensbedingungen. Auskunft geben über das Leben und den Stoffwechsel der Mikroben sollen nun Erbgutanalysen. Vielleicht, so die Hoffnung der Forscher, verraten die Gene der Extremlebewesen auch die Strategien, die ihnen das Leben in der Erdkruste ermöglichen – und damit möglicherweise auch das Geheimnis, wie Mikroorganismen auf anderen Planeten überleben könnten.

Ute Kehse: „Das Leben der anderen“, in: bild der wissenschaft 06/2007, S. 54 ddp/wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel
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