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Eine kosmische Schwarze Witwe

Astronomie|Physik

Eine kosmische Schwarze Witwe
Pulsar
Pulsare sind rotierende, starke Strahlungspulse abgebenden Neutronensterne. © Artur Plawgo/ iStock

Wie die zu den Schwarzen Witwen gehörenden Spinnen bringen auch manche Pulsare ihren stellaren Partnern den Tod. Einen besonders ungewöhnlichen Vertreter dieser destruktiven Sternenreste haben nun Astronomen in rund 3000 Lichtjahren Entfernung entdeckt. Der Pulsar und sein Begleitstern umkreisen einander in geringer Entfernung und benötigen für einen Umlauf nur 62 Minuten – es ist damit die Schwarze Witwe mit der kürzesten bekannten Orbitalperiode. Als erstes Paar dieser Art wurde es zudem nicht über Röntgen- oder Gammastrahlung entdeckt, sondern durch das periodische Aufleuchten des Begleitsterns im sichtbaren Licht.

Pulsare sind schnell rotierende und stark magnetische Neutronensterne – Relikte der Supernova-Explosion eines massereichen Sterns. Diese ultradichten Sternenkerne senden wie ein kosmischer Leuchtturm gebündelte Strahlen aus, die in regelmäßigem Takt durch das All streifen. Diese Strahlenpulse können extrem energiereich sein und bei sich extrem rotierenden Pulsen, den sogenannten Millisekundenpulsaren, mehrere hundert Mal in einer Sekunde aufblitzen. Eine Sonderform solcher Sternenreste wird auch als Schwarze Witwe bezeichnet, denn es handelt sich um Pulsare, die mit einem kleinen, normalen Begleitstern ein Doppelsystem bilden, ihre Partner aber im Laufe der Zeit zerstören – wie die für ihren Kannibalismus bekannten Spinnen. Ursache für die zerstörerische Wirkung des Pulsars ist seine intensive, energiereiche Strahlung und sein starker Sternenwind, die den Begleitstern nach und nach erodieren.

Flackernde Sterne als Suchhelfer

Bisher sind erst rund zwei Dutzend Schwarze-Witwe-Pulsare bekannt, daher sind Astronomen immer wieder auf der Suche nach weiteren Vertretern solcher „kannibalistischen“ Paare – meist fahnden sie dabei nach den energiereichen Röntgen- und Gammastrahlen, die der Pulsar aussendet. Kevin Burdge vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge und sein Team haben jedoch auf eine andere Art nach solchen Pulsaren gesucht: „Ich dachte mir: Statt direkt nach dem Pulsar zu suchen, könnten wir ja versuchen, den von ihm ‚gekochten‘ Stern zu finden“, erklärt Burdge. Dieser Stern müsste, so die Idee dahinter, auf der dem Pulsar zugewandten Seite stark aufgeheizt und daher heller sein. Theoretisch müsste man solche Paare daher aufspüren können, wenn man nach Sternen sucht, die ihre Helligkeit schnell und drastisch verändern.

Für ihre Studie werteten die Astronomen die Beobachtungsdaten der Zwicky Transient Facility in Kalifornien aus, einem Teleskop, das jede Nacht große Himmelsausschnitte nach sich verändernden oder neu auftretenden Phänomenen durchsucht. In den Daten zu rund 20 Millionen Sternen suchten sie nach Objekten, deren Helligkeit in Abständen von einer Stunde und weniger um den Faktor zehn und mehr schwankt. Tatsächlich wurden die Astronomen fündig: Sie entdeckten ein Objekt, das alle 62 Minuten um das rund 13-fache heller wird und dann wieder verblasst. Das ZTF J1406+1222 getaufte System liegt rund 3000 Lichtjahre entfernt und sein Spektrum deutet darauf hin, dass dort zwei stellare Objekte eng umeinander kreisen, wie das Team berichtet.

„Schwarze Witwe“ mit ungewöhnlichen Merkmalen

Nach Ansicht der Astronomen deutet einiges darauf hin, dass es sich bei diesem System um eine Schwarze Witwe handelt – ein enges Paar aus Pulsar und Stern. „Was wir sicher wissen ist, dass wir hier einen Stern sehen, dessen Tagseite viel heißer ist als die Nachtseite und dass er im Verlauf von 62 Minuten um etwas anderes herumkreist“, sagt Burdge. „Alles scheint darauf hinzudeuten, dass es sich hier um einen Schwarze-Witwe-Doppelstern handelt.“ Sollte dies der Fall sein, wäre dies der erste Pulsar dieser Art, der durch Beobachtungen im sichtbaren Licht aufgespürt wurde. Zudem wäre es das Pulsarsystem mit der kürzesten bekannten Umlaufzeit. „Allerdings gibt es einige ungewöhnliche Dinge an diesem System, sodass es sich auch um etwas ganz Neues handeln könnte“, erklärt der Astronom weiter. Denn bisher wurde keine von diesem System ausgehende Röntgen- oder Gammastrahlung entdeckt, was normalerweise für einen Witwen-Pulsar typisch wäre.

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Ergänzende Beobachtungsdaten des Sloan Digital Sky Survey ergaben, dass das enge, schnell rotierende Paar von einem dritten, deutlich weiter entfernten Objekt umkreist wird. Dieser Stern hat einen Abstand von rund 600 astronomischen Einheiten und benötigt rund 12.000 Jahre für eine Umkreisung. Zudem legten spektrale Analysen nahe, dass das gesamte System wahrscheinlich älter ist als unser Sonnensystem und ursprünglich in einem Kugelsternhaufen im Außenbereich der Milchstraße entstanden sein muss. Seither allerdings könnten sich der Pulsar und seine Begleiter bis nahe ans galaktische Zentrum bewegt haben, wo das System von den Schwerkraftturbulenzen aus seinem Sternhaufen ausgeschleudert wurde – so die Vermutung der Astronomen.

„Dieses ist System ist damit einzigartig für eine Schwarze Witwe, weil wir es sichtbaren Licht entdeckt haben, es einen zusätzlichen entfernten Begleiter hat und weil es aus dem galaktischen Zentrum gekommen ist“, sagt Burdge. „Es gibt noch vieles, was wir an diesem System nicht verstehen.“ Das Astronomenteam hofft, dass sich einige Fragen klären werden, wenn sie ZTF J1406+1222 mit weiteren Teleskopen untersuchen, aber auch, wenn sie möglicherweise weitere Vertreter solcher optisch sichtbaren Schwarzen Witwen entdecken.

Quelle: Kevin Burdge (Massachusetts Institute of Technology, Cambridge) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-022-04551-1

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