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Mondverlust könnte Saturnringe geschaffen haben

Astronomie|Physik

Mondverlust könnte Saturnringe geschaffen haben
Saturn
Der Saturn und seine Ringe. © MarcelC/ iStock

Der Saturn ist nicht nur wegen seiner zahlreichen, erstaunlich jungen Ringe einzigartig im Sonnensystem, er verblüfft auch wegen der deutlichen Neigung seiner Rotationsachse gegenüber seiner Bahn um die Sonne. Jetzt könnten Planetenforscher eine Erklärung für diese Eigenheiten gefunden haben. Aus Daten der NASA-Raumsonde Cassini und Modellsimulationen schließen sie, dass der Ringplanet einst einen weiteren, großen Mond besessen hat. Vor rund 160 Millionen Jahren geriet dieser Chrysalis getaufte Trabant aus seiner Bahn und wurde von der enormen Schwerkraft des Saturns zerrissen. Die dabei auf den Planeten stürzenden Trümmer veränderten dessen Achse, die restlichen Brocken könnten zu den Ringen des Gasplaneten geworden sein – und erklären so deren überraschend junges Alter.

Der Gasplanet Saturn ist einzigartig im Sonnensystem. Kein anderer Planet besitzt ein so massereiches und komplexes Ringsystem wie er. Schon Galileo Galilei beobachtete vor rund 400 Jahren seltsame “Arme” beiderseits des Planeten, die er sich damals nicht erklären konnte. Inzwischen ist klar, dass der Saturn von mehreren, durch Lücken und Monde unterbrochenen Gürteln aus Eisbrocken und Staub umgeben ist. Anders als der Planet stammen diese jedoch nicht aus den Anfängen des Sonnensystems, sondern sind neueren Daten zufolge erst rund 100 Millionen Jahre alt. Das wirft die Frage auf, wie die Saturnringe entstanden sind. Und noch eine Eigenheit gibt es: Die Ringe und die Rotationsachse des Saturns sind gegenüber seiner Bahn um die Sonne um 26,7 Grad geneigt. “Diese Neigung ist zu groß, um durch bekannte Bildungsprozesse in der protoplanaren Scheibe oder durch große Kollisionen des Planeten entstanden zu sein”, erklärt Erstautor Jack Wisdom vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). “Es wurden schon verschiedene Erklärungen dafür vorgeschlagen, aber keine ist vollkommen überzeugend.”

Ist eine Resonanz der Grund?

Eine der gängigen Theorien besagt, dass Schwerkraft-Wechselwirkungen des Saturns mit dem Planeten Neptun für seine Achsneigung verantwortlich sind. Denn die Präzession der Saturn-Achse – ein kreisförmiges Taumeln – entspricht in ihrer Periode ungefähr der Orbitalperiode des Neptuns. Demnach könnte die Achsenbewegung des Saturns in Resonanz mit der Bahn des Neptuns stehen. Diese Resonanz wiederum könnte die Rotationsachse des Planeten im Laufe der Zeit in ihre heutige Schräglage gebracht haben – so die bisherige Annahme. Ob sie stimmt, hängt allerdings entscheidend von einem lange Zeit nicht genau genug bestimmten Parameter ab: dem Drehimpuls des Saturns. Dieser ergibt sich aus der Rotationsrate und der von der internen Massenverteilung geprägte Trägheit des Planeten. Weil der Drehimpuls auch beeinflusst, wie leicht ein Planet durch äußere Einflüsse aus seiner Ausrichtung zu bringen ist, kann er verraten, ob der Schwerkrafteinfluss des Neptuns stark genug ist, um die Drehachse des Saturns verschoben zu haben und ob beide Faktoren in Resonanz stehen.

“Wenn der Drehimpuls sehr groß ist, dann befindet sich das System in Resonanz und der Neptun könnte erklären, warum der Saturn sich seitlich dreht”, erklärt Co-Autor Burkhard Militzer von der University of California, Berkeley. “Wenn aber der Drehimpuls kleiner ist, dann fällt das ganze Szenario auseinander und man muss nach einer anderen Theorie suchen, die die Achsneigung des Saturns erklärt.” Um diese Frage zu klären, haben Wisdom, Militzer und ihr Team Messdaten der NASA-Raumsonde Cassini herangezogen, die 2017 kurz vor Ende ihrer Mission das Schwerefeld des Saturns vermessen hatte. Anhand dieser Daten konnte das Team die Massenverteilung und den Drehimpuls des Planeten genauer bestimmen und anhand von Modellsimulationen überprüfen, ob diese Werte die Bedingungen für eine Resonanz mit dem Neptun erfüllen.

Führte ein Mondverlust zum Resonanzbruch?

Die Analysen ergaben Überraschendes, denn anders als bisher angenommen sind die beiden Planeten gar nicht in Resonanz. “In allen Modellannahmen und für alle Rotationsperioden liegt das System zwar in der Nähe der Resonanzregion, aber knapp außerhalb”, berichten Wisdom und seine Kollegen. Ihren Daten zufolge beträgt die Abweichung rund ein Prozent, weshalb sie davon ausgehen, dass Saturn und Neptun zwar ursprünglich in Resonanz waren, diese aber vor nicht allzu langer Zeit gebrochen wurde. Aber wodurch? “Wir haben dann nach Wegen gesucht, durch die der Saturn diese Resonanz verlassen haben könnte”, sagt Wisdom. Dafür rekonstruierten sie mithilfe ihrer Modelle die vergangenen rund 200 Millionen Jahre der Entwicklung des Ringplaneten und seiner Nachbarn und prüften dabei zunächst, ob vielleicht Bahnveränderungen der Saturnmonde und ihre sich dadurch verschiebenden Schwerkrafteinflüsse zum Resonanzbruch geführt haben könnten. Es zeigte sich: Zwar hat sich der Saturnmond Titan tatsächlich im Laufe der Zeit nach außen bewegt, aber das allein reichte nicht aus, um die Resonanz von Saturn und Neptun zu brechen.

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Bleibt noch eine zweite Erklärungsmöglichkeit: “Das System könnte der Resonanz entfliehen, wenn der Saturn einst einen zusätzlichen Mond besaß, der dann verloren ging”, erklärt Militzer. Dieser verlorene Trabant könnte entweder durch Schwerkraftturbulenzen aus dem System geschleudert worden sein oder er kam dem Saturn zu nahe und wurde von dessen Gezeitenkräften zerrissen. Nach den Berechnungen der Forscher müsste der Orbit dieses Mondes ursprünglich zwischen dem des größten Saturnmonds Titan und dem des drittgrößten Monds Iapetus gelegen haben. Der Mond selbst, den die Forscher “Chrysalis” getauft haben, müsste etwa so groß und schwer gewesen sein wie Iapetus. Mithilfe einer weiteren Modellsimulation ermittelten Wisdom und sein Team, ob und wie der hypothetische Chrysalis-Mond ausgeschleudert oder zerstört worden sein könnte und wie dies die Achsneigung und Resonanz des Saturns beeinflusst hätte.

Mondzerstörung erklärt junge Ringe

Die Simulationen ergaben, dass der Saturn tatsächlich einen Mond verloren haben könnte. Demnach könnte die langsame Auswärtsdrift des Titans ausgereicht haben, um vor 100 bis 200 Millionen Jahren die Umlaufbahn des hypothetischen Chrysalis-Monds zu destabilisieren. In einem Teil der Simulationsdurchgänge führte dies zum Ausschleudern des Monds aus dem System, in einem anderen aber zu einer Zerstörung von Chrysalis in Saturnnähe. “In beiden Fällen wäre der Saturn dadurch aus der Resonanz gefallen”, berichten die Forscher. Wenn Chrysalis jedoch von den Gezeitenkräften des Saturns zerrissen wurde, dann könnte dies gleichzeitig erklären, wie die Ringe des Gasplaneten entstanden: Ein Teil der Mondtrümmer blieb in Orbits um den Saturn und schuf so seine Ringe. “Das Coole daran ist, dass unser Szenario damit das zuvor unerklärte junge Alter der Saturnringe gleich mit erklärt”, sagt Wisdom. Für den Titan hatte dies zur Folge, dass sein fast kreisrunder Orbit sich leicht verformte und seine heutige leichte Exzentrizität annahm.

Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte demnach der Verlust eines früher existierenden Mondes gleich mehrere Eigenheiten des Ringplaneten erklären: “Der Verlust des hypothetischen Trabanten Chrysalis kann die Obliquität des Saturns, das junge Alter seiner Ringe und die Exzentrizität des Titans erklären”, konstatieren die Forscher. Allerdings räumen sie auch ein, dass dieses Szenario nun noch weiter überprüft werden muss.

Quelle: Jack Wisdom (Massachusetts Institute of Technology, Cambridge) et al., Science, doi: 10.1126/science.abn1234

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