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Protostern verbindet Sonnensystem-Wasser und interstellares Medium

Astronomie|Physik

Protostern verbindet Sonnensystem-Wasser und interstellares Medium
V883 Orionis
Planetenbildende Scheibe um den Protostern V883 Orionis und teilweise aus Deuterium bestehende Wassermoleküle (Illustration). © ESO/L. Calçada

Woher bekommen Sterne und Planeten ihr Wasser? Schon länger gibt es Hinweise darauf, dass Jungsterne und ihre protoplanetaren Scheiben ihr Wasser vom interstellaren Medium „erben“ – den Gas- und Staubwolken, aus denen neue Sterne entstehen. Jetzt haben Astronomen den noch fehlenden Beleg dafür entdeckt. Sie haben die Signatur interstellaren Wassers in der planetenbildenden Scheibe des gut 1300 Lichtjahre entfernten Jungsterns V883 Orionis entdeckt. Der Deuterium-Anteil im gasförmigen Wasser um diesen Stern ähnelt einerseits dem des Wassers in Kometen des Sonnensystems und andererseits dem im interstellaren Medium, wie das Team berichtet. Dies legt nahe, dass auch unser Wasser einst aus dem interstellaren Raum kam.

Unsere Erde ist ein Wasserplanet: Drei Viertel ihrer Oberfläche sind heute von Ozeanen bedeckt und auch die Atmosphäre enthält reichlich Wasserdampf. Woher all dieses Wasser kommt, ist bisher jedoch erst in Teilen geklärt. Gängiger Theorie nach stammt ein großer Teil dieses Wassers aus der protoplanetaren Scheibe der jungen Sonne. Die Erde bekam ihr Wasser demnach bei der Planetenbildung, aber auch durch spätere Einschläge von Asteroiden und Kometen, die sich in verschiedenen Bereichen der protoplanetaren Scheibe bildeten. Ähnlichkeiten in den Isotopen von Wasserstoff und Sauerstoff des Wassers legen dies nahe, allerdings gibt es auch einige Abweichungen.

Unklar war bisher zudem, woher die protoplanetare Scheibe der Sonne ihr Wasser erhalten hat. Planetenforscher gehen schon länger davon aus, dass junge Sterne und die sie umgebenden Materiewolken ihr Wasser aus dem interstellaren Medium „erben“. „Wir können uns den Weg des Wassers durch den Kosmos als Kette oder Pfad vorstellen: Wir wissen bereits, wie die Endglieder davon aussehen – das Wasser auf Planeten und in Kometen“, erklärt Erstautor John Tobin vom National Radio Astronomy Observatory (NRAO) im US-amerikanischen Charlottesville. „Wir konnten bisher schon die Erde mit Kometen verknüpfen und Protosterne mit dem interstellaren Medium. Aber das Bindeglied von Protosternen zu Kometen fehlte.“

Heiße Scheibe erlaubt Blick aufs Wasser

Ob die protoplanetaren Scheiben von Sternen tatsächlich Wasser aus dem interstellaren Raum enthalten, ließ sich bisher nicht eindeutig nachweisen. Bei unserem Sonnensystem ist der Grund klar: Wir müssten dafür in der Zeit zurückreisen. Bei protoplanaren Scheiben um fremde Jungsterne gibt es ein anderes Problem: „Das meiste Wasser in planetenbildenden Scheiben ist als Eis gefroren, so dass es uns normalerweise verborgen bleibt“, erklärt Co-Autorin Margot Leemker vom Observatorium Leiden in den Niederlanden. Wenn Wasser zu Eis gefroren ist, können Astronomen seine Isotopenzusammensetzung, beispielsweise den Anteil des schweren Wasserstoff-Isotops Deuterium, nicht anhand von Spektralanalysen bestimmen – das geht nur bei gasförmigen Stoffen. In protoplanetaren Scheiben gibt es neben gefrorenem Wasser zwar auch Wasserdampf. Diese Zone mit ausreichender Hitze liegt aber meist zu nah am Stern und wird von den umgebenden Staubwolken verhüllt.

Doch Tobin und sein Team haben nun einen Protostern entdeckt, dessen Schneelinie – die Grenze, ab der Wasser gefriert – ungewöhnlich weit außen liegt. Der Protostern V883 Orionis liegt rund 1305 Lichtjahre von uns entfernt im Sternbild Orion und besitzt eine Gas- und Staubscheibe, die bis zu 320 astronomische Einheiten ins All hinausreicht. Vor gut 130 Jahren ereignete sich in diesem heranwachsenden System ein starker Ausbruch, der die protoplanetare Scheibe des Protosterns aufheizte, wie die Astronomen berichten. Als Folge verschob sich die Schneelinie weit nach außen und ein großer Teil des protoplanetaren Wassers wurde zu Wasserdampf. Mithilfe des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) in Chile konnten Tobin und sein Team dadurch die spektralen Signaturen dieses Wassers einfangen und analysieren. „Die aufgeheizte Scheibe von V883 Orionis ermöglicht es uns, sein Wasserreservoir räumlich aufgelöst zu charakterisieren, was bei den meisten protoplanetaren Scheiben nicht möglich ist“, erklären die Astronomen.

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(Video: ESO)

Bindeglied zwischen interstellarem und solarem Wasser

Die Analysen ergaben zum einen, dass die protoplanetare Scheibe genug Wasser in Form von Wasserdampf enthält, um die irdischen Ozeane 1200-mal zu füllen. „Das ist die untere Grenze, weil dies weder das Wasser näher als 40 astronomische Einheiten zum Stern umfasst noch das Wassereis im Außenbereich der Scheibe“, so das Team. Zum anderen konnten sie mithilfe der Spektralanalysen ermitteln, wie hoch der Anteil des Deuteriums in diesem protoplanetaren Wasser ist. Der Anteil dieses Wasserstoffs mit einem zusätzlichen Neutron liefert wichtige Hinweise darauf, woher das Wasser ursprünglich kam. Bei V883 Orionis stellten die Forscher sowohl Übereinstimmungen mit dem Wasser von Kometen im Sonnensystem fest als auch mit dem interstellaren Medium. „Die Wassermoleküle in diesem System und in unserem Sonnensystem haben ähnliche Anteile von Deuterium und Wasserstoff“, sagt Tobin. „Dies bestätigt die Idee, dass das Wasser in Planetensystemen im interstellaren Raum entstanden ist und sowohl von Kometen als auch von der Erde relativ unverändert übernommen wurde“, sagt Tobin.

Damit liefert V883 Orionis nun das bisher fehlende Glied in der Kette des Wassers: Der Stern verbindet einerseits das interstellare Wasser mit Protosternen und ihrer protoplanetaren Scheibe und zeigt andererseits eine Verbindung von seiner Scheibe zu den solaren Kometen und damit auch unserem Sonnensystem. Dies bestätigt die Vermutung, dass auch unser Wasser zumindest zum Teil aus dem interstellaren Raum kommt und wahrscheinlich weit älter ist als unsere Sonne oder die Erde. „Indem wir uns das Wasser in der Scheibe von V883 Orionis anschauen, blicken wir im Prinzip in der Zeit zurück und sehen, wie unser eigenes Sonnensystem aussah, als es noch viel jünger war“, sagt Leemker. Tobin ergänzt: „V883 Orionis ist das Missing Link: Wir haben nun eine ununterbrochene Kette von Kometen und Protosternen zum interstellaren Medium.“

Quelle: John Tobin (National Radio Astronomy Observatory, Charlottesville) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-022-05676-z

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