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Schwarzes Loch zerreißt Stern

Astronomie|Physik

Schwarzes Loch zerreißt Stern
Sternentod
Zerreißen eines Sterns an einem Schwarzen Loch. © ESO/M. Kornmesser

Wenn ein Stern zu nahe an ein massereiches Schwarzes Loch gerät, wird er von den Gezeitenkräften der enormen Schwerkraft zerrissen. Ein besonders seltenes Beispiel eines solchen „Tidal Disruption Events“ (TDE) haben nun Astronomen entdeckt und erstmals in allen Wellenlängen von der Radio- bis zur Gammastrahlung beobachtet. Die Daten enthüllten, dass dieser Sternentod in 8,5 Milliarden Lichtjahren Entfernung stattfand – es ist das fernste je entdeckte TDE. Gleichzeitig gehört das Ereignis zu den wenigen bisher bekannten Fällen, bei denen das Schwarze Loch einen weit ins All hinausreichenden Jet fast lichtschneller Teilchen erzeugt. Die Entdeckung liefert Hinweise darauf, warum dies nur bei wenigen solcher TDEs der Fall ist.

Im Zentrum der meisten Galaxien liegen supermassereiche Schwarze Löcher. Ihre enorme Schwerkraft prägt das Verhalten der Galaxie und kann immer wieder Gaswolken oder nahe Sterne ins Verderben reißen. Kommt der Stern dem Schwarzen Loch dabei zu nahe, zerrt die starke Gravitation an ihm und löst im stellaren Material gewaltige Gezeitenkräfte aus. Weil dabei an der dem Loch zugewandten Seite stärkere Anziehungskräfte wirken als an der Rückseite, wird der Stern in einem sogenannte „Tidal Disruption Event“ (TDE) zerrissen und sein Material zu dünnen Fäden auseinandergezogen – er wird spaghettisiert. Ein Teil des stellaren Materials bildet eine um den Ereignishorizont rotierende Akkretionsscheibe aus strahlendem Plasma und wird nach und nach verschlungen, ein anderer Teil kann jedoch stark beschleunigt und in Form von zwei einander gegenüberstehenden Jets aus schnellen Teilchen und Strahlung weit ins All hinausgeschleudert werden.

Astronomen haben schon häufiger das Zerreißen eines Sterns an einem Schwarzen Loch beobachtet, meist macht sich dies durch ein plötzliches Aufleuchten im Röntgen- und Gammastrahlenbereich bemerkbar. Ein Tidal Disruption Event mit Jets ist jedoch selten und kommt nur in rund einem Prozent der Fälle vor. „Wir haben bisher nur eine Handvoll dieser Jet-TDEs gesehen und sie bleiben sehr exotische und schlecht verstandene Ereignisse“, sagt Co-Autor Nial Tanvir von der University of Leicester. Das letzte Ereignis dieser Art wurde 2011 beobachtet, es war aber nur in einigen Bereichen des Strahlungsspektrums sichtbar. Warum manchmal solche energiereichen Strahlen- und Teilchenkegel entstehen und manchmal nicht, ist daher bislang unklar.

(Video: ESO/M. Kornmesser)

Extrem hell und weit entfernt

Jetzt gibt es neue Anhaltspunkte. Denn am 11. Februar 2022 detektierte das auf plötzliche und kurzlebige Ereignisse spezialisierte Teleskop der Zwicky Transient Facility (ZTF) in Kalifornien bei seiner nächtlichen Himmelsdurchmusterung einen hellen Lichtblitz. Wegen seiner ungewöhnlichen Stärke, die an einen Gammastrahlenausbruch denken ließ, alarmierten die Astronomen um Igor Andreoni von der University of Maryland andere Observatorien, die daraufhin begannen, dieses AT2022cmc getaufte Ereignis in allen Wellenbereichen von langwelliger Radiostrahlung über Infrarot- und visuelles Licht bis zur kurzwelligen, energiereichen Röntgen- und Gammastrahlung zu verfolgen. Analysen des Lichtspektrums ergaben, dass die Quelle dieser Strahlung rund 8,5 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt liegen muss. Gleichzeitig jedoch war die Strahlungsintensität für diese Entfernung ungewöhnlich hoch: „Die Röntgen-, Radio- und Submillimeter Strahlung von AT2022cmc gehören zu den leuchtstärksten je bei dieser Rotverschiebung beobachteten“, konstatieren Andreoni und sein Team.

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Die Astronomen verfolgten das Ereignis über mehrere Tage und Wochen hinweg weiter. Dabei zeigten sich weitere Auffälligkeiten – unter anderem im Röntgenbereich. „In den ersten Tagen sah alles noch ziemlich normal aus“, berichtet Dheeraj Pasham vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). Er und seine Kollegen gingen zunächst davon aus, dass es sich bei diesem Ereignis um einen Gammastrahlenausbruch handelte. „Doch dann stellten wir fest, dass diese Quelle dafür viel zu hell war. Dieses Ereignis war 100-mal stärker als das stärkste bekannte Nachglühen eines Gammastrahlenausbruchs“, so Pasham. Zudem schwankte die Intensität der Röntgenstrahlung immer wieder um den Faktor 500. Aus diesem Merkmal und den Beobachtungen in anderen Wellenlängen schließen die Astronomen, dass es sich bei AT2022cmc um ein extrem seltenes Ereignis handeln muss: Ein Tidal Disruption Event mit Jet, bei dem einer der beiden Jets direkt auf die Erde zeigt. „Weil der relativistische Jet auf uns gerichtet ist, ist das Ereignis viel heller, als es sonst erscheinen würde, und über einen größeren Bereich des elektromagnetischen Spektrums sichtbar“, erklärt Co-Autor Giorgos Leloudas von der Technischen Universität Dänemarks.

Rotation des Schwarzen Lochs als Jet-Auslöser?

Damit ist AT2022cmc nicht nur eines der bisher selten beobachteten TDEs mit einem Jet, es ist auch das am weitesten entfernte Ereignis dieser Art. Weil aber der Strahlenkegel direkt auf die Erde gerichtet war, konnten die Astronomen erstmals mehr Daten über die Umstände dieses fernen Sternentods und seine Folgen in Erfahrung bringen. „Das Ereignis begann, als ein todgeweihter Stern sich dem supermassereichen Schwarzen Loch auf einer fast parabolischen Bahn näherte und dabei zu einem Strom von gasförmigen Trümmern zerrissen wurde“, schildern Andreoni und seine Kollegen das von ihnen rekonstruierte Szenario. Etwa die halbe Masse des zerstörten Zwergsterns blieb in der Akkretionsscheibe um das Schwarze Loch gefangen und wurde stark aufgeheizt und beschleunigt. Turbulenzen und Schockwellen führten dann zur Bildung der beiden polaren Jets aus energiereichen Teilchen und Strahlung. „Die Geschwindigkeit des Jets liegt unseren Daten nach bei 99,9 Prozent der Lichtgeschwindigkeit“, berichtet Co-Autor Matteo Lucchini vom MIT.

Die Astronomen vermuten, dass der ausschlaggebende Faktor für die Entstehung dieser relativistischen Jets nicht wie bisher angenommen ein extrem starkes Magnetfeld am Schwarzen Loch ist, denn dieses war bei AT2022cmc eher schwach. Stattdessen könnte die Rotation des Schwarzen Lochs der ausschlaggebende Faktor gewesen sein. Demnach könnten diese Plasma- und Strahlenkegel immer dann entstehen, wenn das supermassereiche Schwarze Loch sich bei einem solchen Zerreißen eines Sterns um sich selbst dreht. Weil dies nicht bei allen Schwarzen Löchern der Fall ist, könnte dies erklären, warum TDEs mit Jets vergleichsweise selten sind. „Wir erwarten, in Zukunft noch weitere solcher Ereignisse beobachten zu können. Dann könnten wir endlich sagen, warum und wie Schwarze Löcher diese Jets verursachen“, sagt Lucchini.

Quelle: Igor Andreoni (University of Maryland, College Park) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-022-05465-8; Dheeraj Pasham (Massachusetts Institute of Technology, Cambridge) et al., Nature Astronomy, doi: 10.1038/s41550-022-01820-x

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